A SPICE löst Probleme in der Entwicklung

Teil 1 unserer Artikel-Serie über A SPICE.
Lesen Sie auch unseren Einführungsartikel Drei Mythen rund um A SPICE.

Bevor wir im ersten Teil der Serie in die Tiefe gehen, gibt es eine wichtige Denkweise bzw. Betrachtungsweise, die wir im Vorfeld näher betrachten möchten:

Dr. Gerhard Wohland [1], grandioser Systemtheoretiker, Autor des Buchs „Denkwerkzeuge der Höchstleister“ und Leiter des Instituts für dynamikrobuste Organisation (IdO) unterscheidet zwischen der blauen Welt stabiler, vorhersehbarer Umgebungen mit festen Prozessen und der roten Welt unsicherer, dynamischer Umgebungen, die Flexibilität erfordern.
In der blauen Welt steht Effizienz durch standardisierte Regeln im Vordergrund.
Die rote Welt erfordert Anpassungsfähigkeit und den Umgang mit Ungewissheit und Überraschungen. In beiden Welten tauchen Probleme auf… Aber was genau sind Probleme?

Probleme werden, von Dr. Gerhard Wohland, als Signale beschrieben, die man nicht ignorieren kann. Wenn man sie trotzdem ignoriert, kann das später zu Schwierigkeiten führen. Das bedeutet, wir müssen uns mit solchen Problemen auseinandersetzen.

Wie werden Probleme in der blauen und/oder roten Welt gesehen?

  • Die blaue Welt und Probleme:

In der blauen Welt werden Probleme oft als Störungen des normalen Betriebs betrachtet. Die idealisierte Annahme ist, dass, wenn alles nach Plan läuft, es keine roten Probleme geben sollte. Es gibt häufig vorgefertigte Lösungswege oder Richtlinien, wie mit bestimmten Problemen umzugehen ist. Die Lösung der blauen Probleme erfolgt mithilfe von Wissen, das z.B. in Prozessen, Methoden oder Arbeitsanweisungen konserviert ist.

  • Die rote Welt und Probleme:

In der roten Welt werden Probleme oft als Gelegenheiten für Lernen und Weiterentwicklung gesehen. Das Auftreten eines Problems signalisiert, dass es etwas Neues zu entdecken oder zu verstehen gibt. Anstatt auf vorgefertigte Lösungen zurückzugreifen, werden in dieser Welt kreative und innovative Ansätze zur Problemlösung benötigt und gefördert. Die Person, die eine Lösung für das Problem, zu dem es noch kein Wissen geben kann, erarbeiten soll, ist entscheidend. Rote Probleme lassen sich nur durch Können und nicht durch Wissen lösen.

Im Unternehmenskontext kommt es vor der Erarbeitung einer Lösung zu einem Problem darauf an, zu erkennen, ob ein Problem tendenziell eher blau oder eher rot ist. Abhängig von dieser Klassifizierung lässt sich der Lösungsraum bereits einschränken.

Die folgende Abbildung stellt diese Unterscheidung dar [2]:

Ja, aber was hat blau und rot mit der Automotive SPICE zu tun?

=> Die Probleme!

Welche Probleme lassen sich durch Automotive SPICE lösen?

Bei Automotive SPICE handelt es sich um standardisierte Prozesse für bestimmte Tätigkeiten im Rahmen einer Systementwicklung (Stichwort: blau). Prozesse werden gemessen, kontrolliert und bewertet. Es gibt klare Richtlinien und Erwartungen. In stabilen und gut verstandenen Umgebungen mit einer überschaubaren Dynamik ist dieser Ansatz sinnvoll und notwendig. In sehr dynamischen, unsicheren oder innovativen Kontexten, in denen schnelle Anpassung, kreatives Denken und ein exploratives Herangehen erforderlich sind (Stichwort: rot), wird ein streng definierter Prozess wie Automotive SPICE nicht ausreichen oder sogar kontraproduktiv sein. Prozesse verhindern i.d.R. schnelle Anpassungen und könnten Innovationen behindern oder die Fähigkeit eines Teams einschränken, angemessen auf unvorhergesehene Herausforderungen zu reagieren.

Automotive SPICE adressiert ausschließlich Teile der blauen Welt in der Entwicklung von Systemen. Für andere Aspekte, insbesondere solche, die Innovation, Kreativität und schnelle Anpassung erfordern, sind rot Lösungsansätze erforderlich. Dies könnte agile Methoden, cross-funktionale Teams und eine stärkere Betonung von iterativem Lernen und Anpassung beinhalten, durch die Mitarbeitenden an sich.

Der Zweck oder das Ziel einer jeden Systementwicklung ist es, dass am Ende ein Produkt entsteht, das die Bedürfnisse des Marktes trifft, (fast) egal mit welchem Entwicklungsprozess dieses Produkt entstanden ist.
Zusammengefasst: Kunden müssen das Produkt kaufen!
Automotive SPICE gibt uns einen Rahmen, was bei der Systementwicklung berücksichtigt werden muss. Zum Beispiel muss eine Systemarchitektur entwickelt werden. Was jedoch unklar bleibt ist, wie diese Architektur aufgebaut werden muss, welche Sichten gebildet werden müssen und wann eine Architektur überhaupt den Ansprüchen genügt. Hierfür ist der rote Anteil entscheidend. Das bedeutet, Systemarchitekten sollten Wege suchen, um die Probleme der Entwicklung einer guten Systemarchitektur zu lösen, sollten dementsprechend Design Pattern und Methoden auswählen, Frameworks und Modellierungssprachen zur Dokumentation wählen und diese zielgerichtet im jeweiligen Kontext einsetzen.

Ein ausgewogener Ansatz, der sowohl „rote“ als auch „blaue“ Prinzipien berücksichtigt, könnte für Unternehmen, die sich in einem ständig wandelnden technologischen Umfeld bewegen, von Vorteil sein.

Die Frage, die immer noch im Raum steht, ist:

Löst A SPICE Probleme in der Entwicklung?

Ja, aber Automotive SPICE kann nur die blauen Probleme, die prozessbezogen sind, lösen oder zumindest versuchen zu lösen. Für die roten Probleme, welche einen kreativen bzw. menschlichen Anteil benötigen, ist der Standard ungeeignet.

Wie adressieren Sie die roten Probleme in der Systementwicklung?

Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung :-)

Viele Grüße, Ihre SOPHISTen

Quellen:

[1] Dr. Gerhard Wohland – Institutsleiter: https://dynamikrobust.com/institut/

[2] Abbildung „rot und blau“: http://dynamikrobust.com/wp-content/uploads/2016/03/Denkzettel-1-Chaos-und-Dynamik.pdf

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