Methodisch vom Lastenheft zum Pflichtenheft – Teil 3: Wie viel RE benötigen Auftragnehmer?

Im dritten Teil unserer Blogserie „Wie viel RE benötigen Auftragnehmer?“ geben wir Ihnen einen kleinen Praxisleitfaden für die Analyse von Anforderungen. Im Kontext der Blogserie möchten wir Ihnen zeigen, wie dieser Ansatz Sie dabei unterstützen kann, Ihre Ressourcen möglichst gewinnbringend für die Erstellung eines Pflichtenheftes einzusetzen.

Rückblickend haben wir Ihnen in Teil 1 und 2 unserer Blogserie zum einen unterschiedliche Qualitätsstufen von Pflichtenheften vorgestellt (vgl. Blogbeitrag – Methodisch vom Lastenheft zum Pflichtenheft – Teil 2: Wie viel RE benötigen Auftragnehmer?) und zum anderen einige Kriterien an die Hand gegeben, mit denen Sie die Qualität, die Sie beim Erstellen des Pflichtenheftes anstreben sollten, abschätzen können (vgl. Blogbeitrag – Methodisch vom Lastenheft zum Pflichtenheft – Teil 1: Wie viel RE benötigen Auftragnehmer?). Wie bereits oben angedeutet werden wir Ihnen in diesem Teil vorstellen, wie Sie in der Praxis mit einer formalen Analyse die angestrebte Qualität erreichen und aus Eingabeanforderungen belastbare Anforderungen für Ihr Pflichtenheft ermitteln können. Diese Analyse soll dabei angemessen durchgeführt werden, das heißt, es soll nicht mehr Aufwand in diesen Schritt investiert werden, als für Ihr Projekt notwendig ist.

Für die weitere Betrachtung gehen wir von der folgenden Situation aus: Sie erhalten vom Auftraggeber ein Lastenheft. Im Rahmen der Angebotserstellung erzeugen Sie als Auftragnehmer ein kommentiertes Lastenheft (kom. LH) für die Beurteilung der Realisierung von Anforderungen, sowie als Vertragsgrundlage für die Zusammenarbeit. Im nächsten Schritt folgt dann die Analysephase (s. Abbildung unten). Dafür stellen wir Ihnen fünf praktikable Analysetätigkeiten vor, mit deren Hilfe Sie ein Pflichtenheft erzeugen könnten, das zu 100% den Qualitätskriterien genügt (s. „Requirements-Engineering und –Management“ 6.Auflage (Chris Rupp & die SOPHISTen, 2014, S.26ff.)). In der Praxis wird die Analyse Sie vor allem dabei unterstützen zu entscheiden an welcher Stelle Sie Ihr Pflichtenheft als nächstes weiter verbessern sollten, sofern Sie noch Ressourcen zur Verfügung haben und welche Tätigkeiten sich hierzu am besten eignen.

Wie in der unteren Abbildung dargestellt ist, besteht die Analysephase aus insgesamt fünf Analysetätigkeiten. Während der Analyse führen Sie für jede Eingabeanforderung aus dem kommentierten Lastenheft eine der Analyseaufgaben durch und erhalten dadurch ihre Anforderungen für das betrachtete System. Hier sollten Sie beachten, dass Sie die abgeleiteten Anforderungen nicht in die dokumentierten Anforderungen in Ihr Pflichtenheft aufnehmen sollten, wenn diese noch nicht Ihren Ansprüchen genügen. Sie sollten erst eine weitere Analyseaufgabe durchführen, um diese Anforderungen zu verbessern oder daraus neue Anforderungen herzuleiten.

Die in der Abbildung dargestellte Reihenfolge der Tätigkeiten gibt keine feste Vorgehensweise vor, sondern ist ein Vorschlag unsererseits und soll zum besseren Verständnis der Zusammenhänge zwischen den Tätigkeiten beitragen. Somit wäre es auch denkbar, dass einige Tätigkeiten für die betrachteten Anforderungen ausgelassen, andere wiederum zweimal ausgeführt werden. Grob können Sie jedoch davon ausgehen, dass Sie zur Erreichung des minimalen Pflichtenheftes die ersten drei Tätigkeiten in Betracht ziehen sollten. Für die Erstellung eines vollständigen Pflichtenheftes sollten Sie alle Aufgaben durchgeführt haben.

Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Überblick über die Analysetätigkeiten geben, der es Ihnen ermöglichen wird zu entscheiden, wann es sinnvoll ist eine Analysetätigkeit durchzuführen.

Ausgehend von der oben beschriebenen Situation, betrachten Sie als Eingabeanforderung eine beliebige Anforderung aus dem kommentierten Lastenheft. In der Tätigkeit Anforderungen separieren sollten Sie die Anforderung bei Bedarf zunächst in mehrere Anforderungen aufteilen, um diese im nächsten Schritt getrennt voneinander betrachten zu können. Die ist insbesondere zu empfehlen, wenn die Eingabeanforderung mehrere Funktionalitäten beschreibt. Im nächsten Schritt (Notwendige Anforderungen extrahieren) sollten Sie überprüfen, ob sich die separierte Anforderung auch wirklich an das betrachtete System richtet. Ist dies nicht der Fall, so müssen Sie den entsprechenden Anteil, der sich ausschließlich auf Ihren Betrachtungsgegenstand bezieht, herausfinden. Diese beiden Schritte sollten Sie auf alle Eingabeanforderungen anwenden, um so einen guten Startpunkt für die weitere Analyse zu erzeugen.

In einem weiteren Schritt (Anforderungen abstrahieren) sollten Sie zu einer betrachteten Anforderung die abstraktere Anforderung finden. Damit definieren Sie die oberste Ebene ihrer Anforderungen. Erst durch diesen Schritt der Abstraktion erhalten Sie eine vollständige, wenn auch grobe, Sicht auf die Anforderungen an Ihr System. Diese oberste Ebene wird dann in dem Schritt Anforderungen vervollständigen vervollständigt, in dem Sie weitere Anforderungen auf dieser Ebene definieren. In diesem Schritt geht es vor allem darum, das Pflichtenheft um die Aspekte zu ergänzen, die nicht vom Auftraggeber explizit vorgegeben wurden, aber zum Teil implizit in den bisher gefundenen Anforderungen gefordert werden. Hierdurch können Sie vermeiden, dass z.B. grundlegende Funktionalitäten bei der Entwicklung vergessen werden.

In der letzten Tätigkeit (Anforderungen verfeinern) können Sie entscheiden, welche der gefunden Anforderungen aus der Analyse weiter detailliert werden sollten, um so weitere Vorgaben in Form von verfeinerten Anforderungen zu geben.

In der Praxis werden Sie bei der Anwendung der einzelnen Tätigkeiten Wissen benötigen, das über die Informationen in den Eingabeanforderungen hinaus geht. Um diese Wissenslücken auszugleichen, werden Sie Ihre Auftraggeber fragen müssen oder Annahmen treffen, die im Nachhinein dann noch abgesichert werden müssen.

Wenn Sie mehr zum Thema „Wie viel RE benötigen Auftragnehmer?“ oder mehr zur Anwendung der Analysetätigkeiten in der Praxis erfahren möchten, dann besuchen Sie unser Systems-Engineering Training. Hier zeigen wir Ihnen anhand von praxisnahen Beispielen, wie Sie mit Hilfe der Analysetätigkeiten ein Pflichtenheft in einer für Sie adäquaten Qualität erzeugen können.

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