Wie meint es der eine und wie versteht es der andere… (IX)

Meine Damen und Herren, wir gratulieren Ihnen zum erfolgreichen Abschluss ihrer Online-Zusatzausbildung zum Requirements Engineer (***). Wir können Sie nun voller Zuversicht und guter Dinge in die harte Wirklichkeit der Anforderungsanalyse entlassen (falls Sie dort nicht sowieso schon sind). Wenn Sie unsere Blogserie regelmäßig gelesen und die Inhalte vielleicht sogar ein wenig verinnerlicht haben, sind Sie hinlänglich vorbereitet für die kommenden Aufgaben. Sie werden Ihre Sache gut machen.

Zum Abschluss unseres kleinen Seminars bleibt uns nur noch, Ihnen ein paar letzte Ratschläge für die Praxis mit auf den Weg zu geben.

Das SOPHIST REgelwerk ist zeitlich äußerst elastisch. Sie können es zu verschiedenen Phasen der Analyse anwenden. Für unerfahrene Benutzer empfehlen wir Anforderungen dann zu prüfen, wenn diese bereits in schriftlicher Form vorliegen. Sie wenden damit die Regeln analytisch als Prüfkriterien auf Basis erstellter Anforderungen an. Bereits dokumentierte Anforderungen haben den großen Vorteil, dass sie auch rabiate Testversuche anstandslos über sich ergehen lassen. Sie können hier also in Ruhe ausprobieren und überdenken.

Als Alternative dazu können Sie Stakeholderwissen auch konstruktiv direkt im Interview erheben und die sprachlichen Äußerungen Ihres Interviewpartners simultan auf Defekte prüfen. Diese unmittelbare Anwendung des REgelwerks während des Interviews bietet Gesprächsspaß in „Echtzeit“, der Kommunikationsprozess selbst verzeiht allerdings Fehler und Unachtsamkeiten nicht so schnell. Ihnen bleibt zur Überprüfung der Aussagen nur ein knappes Zeitfenster zwischen den einzelnen Mitteilungen des Stakeholders. Sie dürfen und sollten seine unverständlichen oder mehrdeutigen Aussagen natürlich direkt im Gespräch hinterfragen, es ist aber nicht ratsam, sämtlich Regeln auf Gedeih und Verderb anwenden zu wollen, auch um die Geduld des Stakeholders nicht übermäßig zu strapazieren. Konzentrieren Sie sich deshalb bei Ihren ersten Gesprächstherapieversuchen auf eine kleine Auswahl der wichtigsten Regeln:

Als anfängliche Hilfestellung können die Regeln auf einen Zettel geschrieben und während des Interviews an gut lesbarer Stelle Ihrer Unterlagen platziert werden. Diese Methode verliert allerdings ihre Sinnhaftigkeit dann, sobald weitere Regeln hinzukommen. Dann wird die Liste nämlich sehr schnell unübersichtlich. Sie sollten zusätzliche Regeln erst ergänzen, wenn Sie genug Erfahrung in der Anwendung der Grundregeln haben. Haben Sie diese erst mal internalisiert, können weitere Regeln folgen. Unsere Empfehlung wären folgende:

 

Sie können bei der Erstellung von Anforderungen natürlich auch unsere SOPHIST-Schablonen verwenden. Damit werden Ihre Anforderungen in eine optimierte Gussform eingelassen und automatisch von einigen Defekten bereinigt. Auf diese Weise brauchen Sie einige Regeln des REgelwerks nicht bewusst zu überprüfen. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Buch „Requirements-Engineering und  – Management, Kapitel 7“. Es wird aber in absehbarer Zeit auch eine entsprechende Blogserie zum Thema SOPHIST-Schablonen geben.

Noch ein Wort aus unserer Erfahrung: Vollkommene Kommunikation wird niemals möglich sein. Versuchen Sie sich auch als Experte nicht an der Perfektion von Anforderungen. Meist sind Projekte von strikten und dazu knappen Zeitplänen begleitet, die eine gewisse Wahrung der Verhältnismäßigkeiten vorrausetzen. Verlieren Sie deshalb nicht zu viel Zeit mit dem Nachpolieren glänzender Anforderungen. Sie werden die Zeit später eventuell schmerzlich vermissen.

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