In dieser Blogserie stellen wir Ihnen vor, wie wir das Wissen vermitteln, das Sie benötigen, um ein Begriffsmodell auf Basis des UML-Klassendiagramms zu erstellen. Hier finden Sie unseren letzten Blogbeitrag zu diesem Thema.
In diesem Beitrag präsentieren wir Ihnen ein Handlungsmuster, mit dem wir das vertiefte Verständnis unserer Trainingsteilnehmer für das Begriffsmodell schulen wollen: das perspektivenbasierte Lesen.
Was wollen wir vermitteln?
Das Begriffsmodell auf Basis des UML-Klassendiagramms beinhaltet eine Vielzahl an Notationselementen. So können die bereits behandelten Klassen durch Attribute detaillierter beschrieben werden. Darüber hinaus sollen Klassen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dazu gibt es Modellierungsmöglichkeiten über Generalisierungen und Spezialisierungen, Aggregationen und Kompositionen. Beziehungen können außerdem Multiplizitäten besitzen. Doch was sagen diese ganzen Begriffe aus?
Ein Attribut ist ein strukturelles Merkmal einer Klasse. Attribute versehen Klassen mit zusätzlichen Informationen und haben einen Namen und einen Typ.
Eine Generalisierung/Spezialisierung ist eine gerichtete Beziehung zwischen einer generellen und einer spezielleren Klasse, die dafür sorgt, dass Struktur- und Verhaltensmerkmale aus der generellen Klasse auch der speziellen Klasse hinzugefügt werden.
Eine Assoziation beschreibt eine Beziehung zwischen mindestens zwei Klassen. Zusätzliche Informationen werden durch Multiplizitäten gegeben. Diese beschreiben die Anzahl der Klassen in Relation zu anderen Klassen.
Komposition und Aggregation sind sogenannte „Teil-Ganzes-Beziehungen“. Die Komposition ist dabei der Spezialfall. Sie beschreibt, dass die Teile nicht ohne das Ganze existieren können.
Dieses Wissen vermitteln wir unseren Teilnehmern in Form einer Präsentation. Diese Technik der Wissensvermittlung ist für deklaratives Wissen geeignet, da sie die Vermittlung von viel Wissen in kurzer Zeit zulässt. Außerdem wird durch auditive (der Trainer erklärt) sowie visuelle Elemente (der Trainer zeigt Folien mit dem deklarativen Wissen und Beispielen) verschiedene Sinne angesprochen, was nach [Mottok2012] einen Zugang zu dem vermittelten Wissen erleichtert.
Warum verwenden wir das Handlungsmuster perspektivenbasiertes Lesen?
Als Requirements Engineer muss man ein Begriffsmodell modellieren können. Dazu reicht es nicht, die einzelnen Notationselemente zu kennen, sondern man muss auch verstehen, wofür diese geeignet sind. Außerdem ist es hilfreich zu wissen, wie man verschiedene Notationselemente aus einer textuellen Beschreibung heraus erkennt, um beispielsweise aus einem Benutzerhandbuch Anforderungen eines Systems zu erfassen oder aus einem Gespräch mit dem Kunden die Elemente herauszuhören.
Da das Verständnis des oben beschriebenen Wissens auch sehr wichtig ist, um später ein Begriffsmodell selbst zu erstellen, bewegen wir uns in Richtung des prozeduralen Wissens, das heißt das Wissen um einen Ablauf, ein Vorgehen. Um dieses Wissen zu vermitteln, benötigt man ein Handlungsmuster, bei dem die Aktivität seitens der Schulungsteilnehmer hoch ist. Denn nur wenn man selbst Prozeduren durchläuft, kann man diesen Ablauf erlernen. Aus diesem Grund ist perspektivenbasiertes Lesen ein geeignetes Handlungsmuster um das vermittelte Wissen zu vertiefen.
Was ist perspektivenbasiertes Lesen?
Wie das Wort Lesen schon verrät, geht es beim perspektivenbasierten Lesen um einen Text. Diesen Text stellen wir unseren Trainingsteilnehmern zur Verfügung. Diese müssen sich nun in die Perspektive eines Requirements Engineers versetzen und den Text unter verschiedenen Gesichtspunkten bearbeiten, z.B.:
a) Unterstreichen Sie alle möglichen Klassen, die Sie im Text finden. Schreiben Sie ein (K) dazu
b) Markieren Sie alle möglichen Generalisierungen/Spezialisierungen (G/S)
c) Markieren Sie alle möglichen Aggregationen (A)
d) Markieren Sie alle möglichen Kompositionen (KO)
e) Markieren Sie alle möglichen Multiplizitäten, die Sie im Text finden. (M)
f) Markieren Sie alle möglichen Attribute, die Sie im Text finden. (AT)
Anmerkung: Mehrmals auftauchende Wörter müssen nur einmal markiert werden! Markieren Sie alle möglichen Elemente. Hier findet noch keine Abstrahierung statt, welche der Elemente in dem Klassendiagramm umgesetzt werden.
Hier der Text, den wir beispielsweise für diese Übung verwenden.
AROMA
Im RE-Dorf hat ein neues Restaurant eröffnet. Damit der Kunde dort König ist, wurde ein neues System eingeführt – AROMA. Im Fokus des Systems steht ein neues Bestellkonzept. Sobald der Gast das Restaurant betritt, soll er vom Rezeptionisten begrüßt werden und ein kleines, einem Handheld-Computer ähnelndes Gerät mit Touchscreen erhalten. Der Gast verwendet das Mobilteil um damit Speisen und Getränke auszusuchen und Speisen zu bestellen.
Auf dem Mobilteil ist die Speisekarte gespeichert. Neben der Grundauswahl an Speisen gibt es auch immer ein Gericht der Woche. Beide werden zusammen in der Speisekarte angezeigt. Außerdem gibt es dort auch Informationen zu den einzelnen Gerichten wie Kalorienangabe, Inhaltsstoffe, aber auch Empfehlungen zur Zusammenstellung eines Menüs.
Der Gast kann direkt über das Mobilteil seine Bestellung aufgeben. Nachdem der Gast sich für ein Gericht entschieden hat, soll er es ohne Schwierigkeiten intuitiv auswählen können. Anschließend soll er noch die Möglichkeit haben Sonderwünsche anzufügen. Dies können Wünsche sein wie „mit extra viel Parmesan“, „ohne Chili“, „kein Schweinefleisch“ und weiteres. Ein Gast muss mindestens eine Bestellung aufgeben. Jede Bestellung kann nur von einem Gast aufgegeben werden.
Wenn der Gast eine Speise bestellt hat, geht diese Bestellung zum Koch. Der Koch bereitet dann die Speise zu. Neben dem Koch und dem Rezeptionist komplettieren die Kellner das Personal. Die Kellner bringen die bestellten Speisen zum Gast.
Eine Bestellung hat immer mindestens eine Bestellposition. Eine Bestellposition gehört immer zu einer bestimmten Bestellung. Wenn die Bestellung erledigt ist, wird auch die Bestellposition entfernt.
Das Mobilteil kann auch direkt zum Bezahlen der Rechnung verwendet werden. Dies kann aber nur von einem registrierten Gast vorgenommen werden, der in AROMA seine Kontaktdaten sowie seine Kontonummer hinterlegt hat. Dabei soll es dem Gast auch möglich sein, andere Gäste auf seine Rechnung einzuladen. Die Rechnung des Gastes soll auf dem Mobilteil gespeichert werden. Der Gast gibt es beim Verlassen des Restaurants an den Rezeptionisten zurück und begleicht den ausstehenden Betrag.
Wie kann perspektivenbasiertes Lesen eingesetzt werden?
Um das vorgestellte Beispiel einer Aufgabe aus dem Bereich des perspektivenbasierten Lesens durchzuführen, gibt es mehrere Möglichkeiten.
Wenn die Teilnehmer unserer Schulungen bereits Grundkenntnisse zu Begriffsmodellen, speziell auf Basis des UML-Klassendiagramms, mitbringen, können alle Teilaufgaben auf einmal bearbeitet werden. Das heißt, der Text wird durchgelesen und alle Notationselemente markiert.
Bei unerfahreneren Teilnehmern bieten sich Alternativen an. Die Teilnehmer bearbeiten die Teilaufgabe einzeln und gehen den Text dafür jeweils einmal durch. Nach Bearbeitung jeder Teilaufgabe wird die Lösung besprochen.
Anstatt die Teilaufgaben von jedem Teilnehmer einzeln bearbeiten zu lassen, kann der Text auch Satz für Satz gemeinsam besprochen werden. Dabei bietet es sich an, in jedem Satz nach allen auftretenden Notationselementen suchen zu lassen. Diese Variante ist sehr gut für unsichere Teilnehmer geeignet, da durch die regen Diskussionen weiteres Wissen gut vermittelt werden kann.
Perspektivenbasiertes Lesen als Handlungsform bietet sehr viele Möglichkeiten und der Lernerfolg ist sehr hoch. Versuchen Sie sich an unserem Text – die Lösung dazu gibt es in dem nächsten Beitrag unserer Blogserie. Außerdem erwartet Sie eine erste Übung zum Modellieren: das Vervollständigen eines Begriffsmodells.
Gibt es Fragen zu unserer Arbeit? Oder Anregungen und Kommentare? Dann nutzen Sie die Kommentarfunktion auf dieser Seite, oder melden Sie sich bei uns. Wir sind gerne für Sie da – telefonisch unter (0911 – 40 900-0) oder per Email unter heureka@sophist.de.
Literatur & Quellen
[Mottok2012] J. Mottok, I. Schroll-Decker, G. Hagel, M. Niemetz, G. Scharfenberg: Internal Conferences as a Constructivism Based Learning Arrangement for Research Master Students in Software Engineering, FECS 2012, Las Vegas, USA.