Interview – Harte Nüsse und echte Alternativen

Herzlich Willkommen zu unserem vierten Blog unserer Reihe CPRE Advanced Level Elicitation & Consolidation. Im diesem Blog geht es wie immer um ausgewählte Techniken zu Anforderungsermittlung und Konsolidierung. Nachdem wir beim letzten Mal schon Möglichkeiten zur Steuerung im Interview diskutiert haben, geht es heute um schwierige Interviewteilnehmer und mögliche alternative Techniken.

Auch wenn wir Menschen nicht in Schubladen stecken möchten, begegnen uns immer wieder die gleichen Typen von Interviewteilnehmern. Einige „Harte Nüsse“ und deren wichtigste Merkmale möchten wir Ihnen im Folgenden vorstellen. Wie Sie mit den jeweiligen Typen umgehen sollten, hängt natürlich von der jeweiligen Situation ab – wir wollten Sie jedoch nicht mit Ihren Problemen alleine lassen und haben für jeden Kandidaten ein paar Umgangstipps aus unseren Projekten gesammelt:

Der Gesprächige schweift thematisch ab und erzählt Ihnen seinen kompletten Leidensweg mit dem zugrunde liegenden Prozess. Es fällt Ihnen sehr schwer den Befragten zum eigentlichen Thema zu befragen. Mögliche Reaktion:

  • Geben Sie dem Gesprächigen zu Beginn des Interviews etwas Zeit sichauszusprechen (Vorsicht Sie sind nicht sein Therapeut!) Führen Sie Ihn anschließend höflich auf das Thema zurück.
  • Stellen Sie konkrete Fragen und fordern Sie kurze Antworten
  • Wichtig: bleiben Sie immer freundlich (auch wenn es schwer fällt) und fordern Sie zunehmend bestimmter den Fokus des Gesprächs zu beachten.
  • Versuchen Sie die Gesprächigkeit optimal zu nutzen – das nächste Mal haben Sie vielleicht den ruhigen Interviewpartner vor sich. Diese verhalten sich eher gegensätzlich, sind aber auch nicht leicht zu knacken.

Der Ruhige zeichnet sich meist durch eine monotone Stimmlage, kurze manchmal akustisch schwer verständliche Sätze aus. Er wirkt leicht gelangweilt oder verunsichert und erweckt in Ihnen das Gefühl das jede Antwort hart erkämpft werden muss. Mögliche Reaktion:

  • Bleiben Sie geduldig und geben Sie dem Befragten Zeit sich an die möglicherweise ungewöhnliche Situation zu gewöhnen.
  • Stellen Sie offene Fragen und unterstreichen Sie immer wieder die Wichtigkeit der Aussagen des Befragten.
  • Finden Sie heraus was Ihr Gegenüber am Thema spannend findet und bauen Sie die weitere Befragung darauf auf.
  • Vielleicht ist Ihr Kandidat auch aus Unwissenheit eher ruhig.

Der Unwissende kann aus verschiedenen Gründen keine detaillierten Aussagen zum Untersuchungsgegenstand machen. Er verfügt nicht (oder noch nicht) über die nötigen Informationen. Mögliche Reaktion:

  • Geben Sie dem Befragten die Möglichkeit das Gesicht zu wahren und Informationen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuliefern. Vereinbaren Sie dazu einen Termin zu dem der Befragte die Informationen weitergeben kann.
  • Greifen Anregungen zu weiteren Interviewpartner oder Informationsquellen wertschätzend auf und nutzen Sie diese.
  • Konzentrieren Sie sich auf die Informationen die Ihr Gegenüber Ihnen bieten kann und gehen an dort ins Detail. Brechen Sie das Interview aber rechtzeitig ab, sobald Sie keine brauchbaren Informationen mehr bekommen.
  • Vielleicht ist Ihr Kandidat aber auch der Vorsichtige.

Der Vorsichtige ist sich nicht sicher, welches Wissen er preisgeben soll oder darf. Er wägt jede Aussage sorgfältig ab und legt großen Wert auf exakte Formulierung und Protokollniederschrift. Oft möchte er sich nicht festlegen und zögert Entscheidungen hinaus. Mögliche Reaktion:

  • Überprüfen Sie hier die Legitimation durch den Vorgesetzen des Befragten.
  • Weisen Sie auf die geltende Vertraulichkeit im Interview und den Freigabemechanismus des Protokolls hin.
  • Zeigen Sie genau auf, wie seine Informationen weiterverwendet werden. Transparenz schafft vertrauen.
  • Machen Sie ihm klar, dass Sie eine Entscheidung von Ihm erwarten oder weichen Sie ggf. auf die Festlegung des Wesentlichen aus. In machen Fällen müssen Sie einen anderen Stakeholder suchen, der diesen Teil übernehmen kann.
  • Vielleicht ist der Befragte aber auch jemand der schlecht explizieren kann.

Wir könnten diese Liste endlos weiterführen. Da gibt es noch den Unmotivierten, den Vielbeschäftigten und viele mehr. Wichtig ist es sich auf sein Gegenüber einzustellen. Nur wenn Sie die Situation genau analysieren und angemessen reagieren, können Sie Ihr Interview effizient gestalten.

Aber wie gehen Sie mit Interviewpartnern um, die per se nicht effizient Interviewen lassen? Sie wollen z.B. ein komplexes System analysieren und Ihr gegenüber ist nicht in der Lage, den zu Grunde liegenden Prozess zu abstrahieren? Oder Sie müssen viele schwer erreichbare Stakeholder interviewen?

In solchen Fällen kommen Sie mit dem Interview nicht weiter. Glücklicherweise bietet das Feld der Ermittlungstechniken noch weitere interessante Alternativen.

Sollten ihre Stakeholder über ein geringes Abstraktions- und Kommunikationsvermögen verfügen könnten Sie z.B. ein Apprenticing durchführen. Bei dieser Technik geht der Requirements Engineer bei einem Stakeholder in die „Lehre“ um anhand dieser Erfahrungen Anforderungen an das System zu formulieren. Da diese Technik dem Stakeholder die Möglichkeit gibt, sein Wissen in einer realen Arbeitssituation darzustellen und in einem Meister-Schüler-Verhältnis Anforderungen zu generieren können die o.g. Schwierigkeiten überwunden werden.

Müssen Sie viele verschiedene Meinungen, von möglicherweise weit verteilten Stakeholdern berücksichtigen erreichen Sie mit dem Interview schnell Ihre Kapazitätsgrenzen. Hier können Sie mit Fragebögen oder 6-3-5-Methode (im Emailverkehr) Ressourcen sparen.

Oder kombinieren Sie gezielt verschiedenen Methoden:  Starten eine Ideensammlung per Email mit der 6-3-5-Methode, befragen Sie einzelne Stakeholder im Interview, um das Design eines Fragebogens zu optimieren und gehen Sie danach einzelne (komplexe) Abläufen im Apprenticing auf den Grund. So kombinieren Sie die Stärken und Schwächen der Techniken optimal und stellen das neue System auf eine solide Anforderungsbasis.

Wir wissen natürlich, dass in jedem Projekt andere Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen und es daher kein Standardvorgehen gibt. Deshalb legen wir in unserem Training zum CPRE Advanced Level Elicitation & Consolidation großen Wert darauf, Ermittlungstechniken erlebbar zu machen und besonders Tipps und Tricks zur Auswahl der Techniken zu vermitteln. Mit diesem Wissen können Sie Projektsituationen besser beurteilen und sich gezielt für ein geeignetes Vorgehen entscheiden.

Sollten wir Ihre Neugier geweckt haben, können Sie uns gerne kontaktieren. Weitere Details zum Training finden Sie in der Trainingsbeschreibung zum CPRE Advanced Level Elicitation & Consolidation durch. Dort finden Sie auch die Termine und weitere Trainings der SOPHISTen.

Bis dahin wünschen wir Ihnen viel Erfolg beim „Nüsseknacken“ und dem Erforschen von neuen Techniken zu immer besseren Anforderungen.

Viele Grüße aus Nürnberg.

Die SOPHISTen.

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