Es war wieder einmal die Sprache
Die Sache mit der Sprache geht in eine weitere Runde. In einem ersten Blogeintrag haben wir Ihnen eine Prozesswortliste, deren Bestandteile und Vorteile vorgestellt. In diesem Blogbeitrag widmen wir uns Informationen zu Prozesswörtern, die Anforderungen inhaltlich vollständig machen.
Fehlt da noch was?
Neben der Klärung der Bedeutung von Prozesswörtern gibt es eine weitere Herausforderung für den Requirements-Engineer: Welche Informationen sollten zu einem Prozesswort ermittelt und dokumentiert werden? Hier geht es nicht um grammatikalisch korrekte Anforderungssätze, sondern um eine zielgerichtete Beschreibung des Inhaltes eines Anforderungssatzes. Der Anforderungssatz Das System muss den Bericht drucken. ist grammatikalisch korrekt. Darüber hinaus können in einem Anforderungssatz jedoch noch weitere Informationen stehen. Und genau dieses „drüber hinaus“ ist der Schwerpunkt dieses Blogeintrages.
So ist im genannten Anforderungssatz z. B. nicht ersichtlich, wo, wie oft und wann (unter welche(n) Bedingung(en)) das System den Bericht drucken muss. Diese fehlenden Informationen können mithilfe des Prozesswortes drucken und den sogenannten W-Fragen ermittelt werden. Die Beantwortung der W-Fragen ist zwar nicht für einen grammatikalisch korrekten Satz notwendig, jedoch resultiert die Auseinandersetzung mit diesen Fragen in inhaltlich vollständigeren Anforderungen. Informationen werden explizit genannt, ohne deren Nennung der Interpretationsraum eines Anforderungssatzes größer wäre.
Von Pflicht (was muss) und Kür (was kann)
Die Anwendung der Fragewörter wer / was, wen / was und / oder wem / was ist einfacher, denn abhängig vom Prozesswort ist die Beantwortung der Fragen obligatorisch. Mit den Fragewörtern wer / was, wen / was und / oder wem/ was ermitteln Sie je nach Prozesswort zunächst das Gerüst einer Anforderung. Ohne dieses Gerüst ist die Anforderung sprachlich nicht korrekt. Das gilt übrigens auch für englische Anforderungssätze. Das Gerüst werden Sie ohne große Überlegungen aufgrund Ihrer Sprachkenntnisse aufbauen können. In der Sprachwissenschaft wird der Begriff der „Valenz“ verwendet, um die Fähigkeit eines Wortes, andere Wörter an sich zu binden, zu benennen.
Die weiteren wichtigen Informationen werden Sie nicht zwingend so einfach notieren, da es nicht auffallen muss, dass in einem Anforderungssatz inhaltlich noch Informationen fehlen. Denn grammatisch – wie gesagt – ist der Anforderungssatz korrekt. Eine von uns erstellte Matrix macht Sie zunächst auf Fragewörter aufmerksam, die bei einem ausgewählten Prozesswort zu beantworten sind. Sind die Fragewörter bekannt, kann entschieden werden, ob deren Antworten sich in Anforderungssätzen wiederfinden müssen oder nicht. Der Mehrwert der gefundenen Antwort in einem Anforderungssatz hängt von verschiedenen Einflüssen auf die Anforderungen in der RE-Praxis ab. Eine Übersicht von Fragewörtern für Prozesswörter hilft, Informationen zu finden, die in genaueren, vollständigeren Anforderungen resultieren.
Ein einfaches Beispiel ist in der folgenden Abbildung zu sehen:
Valenz (wer / was, wen / was) und eine weitere Angabe (wie) – Formulierung mithilfe der Satzschablone
Die Fragewörter wie, wann, wie oft, wo und wohin / woher müssen zum einen nicht zwingend betrachtet werden und sind zum anderen nicht für jedes Prozesswort relevant (vgl. Übersicht Fragewörter für Prozesswörter). Bei der Frage wohin ist zu beachten, dass die Beantwortung dieser Frage auch zu einer technischen Lösung führen kann.
Falls Sie das Fragewort warum vermissen – das wird nicht berücksichtigt, da die Beantwortung dieses Fragewortes häufig fachliche Hintergründe bringt, die nicht im Anforderungssatz, sondern als Kommentar bzw. Hinweis dokumentiert werden können.
Die Frage wie oft sollte nur gestellt werden, sofern das betrachtete Funktionswort zu einem Zeitpunkt mehrfach ausgeführt werden soll (bspw. zweifach drucken). Falls es nur mehrere Prozesse hintereinander sind, die aber nicht zu einem Zeitpunkt mehrfach ausgeführt werden (bspw. eine Änderung durch den Benutzer am Vormittag und noch eine Änderung am Nachmittag), dann stellt sich die Frage „wie oft“ nicht.
Da war doch was…
Wenn Sie jetzt sagen, das kommt mir doch irgendwie bekannt vor, dann haben Sie das SOPHIST REgelwerk verinnerlicht. Die hier beschriebene Fähigkeit von Prozesswörtern, Informationen an sich zu ziehen, ist im SOPHIST REgelwerk in den Regeln 1, 6 und 7 beschrieben.
Mit der Prozesswortliste und der Sensibilisierung auf W-Fragen, mit denen Sie Informationen zu Prozesswörtern ermitteln und dokumentieren können, stehen Ihnen neben dem SOPHIST REgelwerk und den MASTeR-Schablonen weitere Hilfsmittel zur Verfügung, mit denen Sie die Qualität Ihrer natürlichsprachlichen Anforderungen verbessern können.
Sollte Ihre sprachliche Neugierde geweckt sein, melden Sie sich einfach unter 0911 40 900 0 oder heureka@sophist.de.
Teil 1: Prozesswörter eindeutig und vollständig spezifizieren
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