Wie meint es der eine und wie versteht es der andere… (II)

Nachdem Sie beim letzten Mal einen Überblick über das Dilemma der menschlichen Kommunikation, die sprachlichen Effekte und das SOHPIST-REgelwerk erhalten haben, wollen wir dieses Mal konkret den Prozesswörtern einer Anforderung auf den Zahn fühlen.

Prozesswörter im Allgemeinen drücken immer eine Funktionalität aus. Sie werden in den meisten Fällen durch Verben dargestellt. Damit ein solches Verb vollständig und unmissverständlich beschrieben werden kann, sind Informationen nötig, die oftmals fehlen und entsprechend ergänzt werden müssen. Je nach Prozesswort und Detaillierungsniveau einer Anforderung werden unterschiedliche Ergänzungen erforderlich.

Die Aktivformulierung
Eine Information, die Sie auf keinen Fall vorenthalten sollten, ist der Akteur einer Funktionalität. Um diese Frage nach dem „Wer?“ kümmert sich geradezu fürsorglich ein alter Bekannter der deutschen Grammatik: Das Aktiv. Anforderungen im Passiv verbergen hingegen den Akteur eines Prozesses. Hier werden wichtige Information getilgt. Beherzigen Sie daher folgende Regel:
Schreiben Sie in Zukunft also nicht mehr im Passiv wie z.B.:  „Kundendaten müssen eingegeben werden.“, sondern formulieren Sie Anforderungen in Aktivsätzen: „Das System muss dem Bibliothekar ermöglichen Kundendaten einzugeben.“  Und schon ist der Akteur an Bord.

Das gute und das böse Verb
Nun macht nicht jedes bedächtig gewählte Prozesswort in einer Anforderung automatisch eine eindeutige Anforderung. Um alle notwendigen Informationen zu einem Prozesswort aufspüren zu können, müssen wir „gute“ Verben benutzen. Gute Verben sind Vollverben, die das geforderte Systemverhalten so präzise wie möglich beschreiben Oftmals werden lediglich schwammig formulierte Verben benutzt, die eine konkret geforderte Funktionalität gekonnt verschleiern. Die nächste wichtige Regel lautet deshalb:

Schauen wir uns folgende Beispielanforderung an:

„Das Bibliothekssystem muss dem Bibliothekar bei der Suche nach einem Leihobjekt umfassende Informationen über das gefundene Leihobjekt angeben.“  Welche konkrete Funktionalität steckt nun hinter dem Verb „angeben“? Wenn Ihnen der Anforderungssteller sagt, dass er die Informationen angezeigt haben will, dann benutzen Sie bitte auch das Verb „anzeigen“. Anschließend ergeben sich ganz von selbst weitere notwendige Ergänzungen, nämlich „was“ angezeigt werden soll und „wo“.

Die relevanten W-Fragen
Sobald Ihre Anforderung im Aktiv steht und das Prozesswort ein aussagekräftiges Vollverb ist, können Sie die weiteren Ergänzungen anhand der W-Fragen analysieren und ergänzen.
Der sogenannte W-Fragenkatalog eignet sich hervorragend, um der Funktionalität einer Anforderung den richtigen Schliff zu geben:
Im nächsten Blog dieser Serie analysieren wir Funktionalitäten der etwas schwierigen Art. Diese sind in ihrer Formulierung dermaßen verschleiert, dass der dahinterliegende Prozess nur noch zu erraten ist. Die verantwortlichen Übeltäter nennen Linguisten Nominalisierungen und Funktionsverbgefüge.

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