Das Universum in einem Glas Wein

Beim Stöbern im Humorarchiv bin ich gerade auf folgende Weisheit eines ehemaligen Kollegen gestossen, die ich der Welt einfach nicht vorenthalten kann:

„Ein Poet sagte einst ‚Das gesamte Universum liegt in einem Glas Wein‘. Wir werden wahrscheinlich nie wissen, in welchem Sinn er das meinte, denn Poeten schreiben nicht, um verstanden zu werden.“ (Richard P. Feynman)

Ein Requirements Engineer schreibt dagegen genau dazu: Um verstanden zu werden. Welche Fragen müßte ein Requirements Engineer dem Poeten stellen, um herauszufinden, was der Poet genau gemeint hat?

1.) Der Akteur
Hinter „Das gesamte Universum“ steckt vermutlich eine Generalisierung. Meinten Sie wirklich das gesamte Universum? Oder nicht doch eher einen kleinen blaugrünen Planeten, der in einem total aus der Mode gekommenen Spiralarm der Galaxis unbeachtet um eine kleine gelbe Sonne kreist?
2.) Das Prozeßwort
Welcher Prozeß steckt hinter dem Prozeßwort „liegen“? Handelt es sich um einen aktiven Prozeß des Universums (das Universum legt sich in ein Glas Wein — Dann müssen Sie noch spezifizieren, wo es sich vorher befunden hat, welchen Weg es genommen hat und wie schnell es sich dabei fortbewegt hat) oder um einen passiven Prozeß (das Universum wird in ein Glas Wein gelegt — Dann müssen Sie noch spezifizieren, wer das Universum in den Wein legt, wann, und wo er es hernimmt).

3.) Der Feinschliff

Bei „ein Glas Wein“ wurden Informationen getilgt. Ist es ein Rot- oder Weißweinglas, ein Schoppen oder ein Päffchen? Ein Frankenweinpokal? Ist darin ein Ingelheimer Portugieser, oder eine Großostheimer Scheurebe? Ist das Glas halb voll oder halb leer?
4.) Die Bedingung
Wann legt sich das Universum in ein Glas Wein? Welche Vorbedingen müssen erfüllt sein, um diesen Prozeß auszulösen? Welche Ereignisse können den Prozeß verhindern? Wird der Prozeß vom Universum selbst getriggert, oder von einem System außerhalb des Universums? Über welche Schnittstelle?Fazit:
Hinter der Aussage „Das gesamte Universum liegt in einem Glas Wein“ stecken so viele Generalisierungen, Tilgungen und Verzerrungen, daß sie inhaltlich völlig wertlos ist. Leider handelt es sich dabei um keinen Einzelfall, wie ein Blick in beliebige Werke der Weltliteratur offenbart. Das SOPHIST-Training „Certified Poetic Engineer“ sollte sich daher kein ambitionierter Schriftsteller entgehen lassen!

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