Wie viel Usability Engineering braucht das RE? Teil 2

Im zweiten Teil der Blogserie möchte ich Ihnen das Persona-Konzept von Alan Cooper am folgenden Beispiel vorstellen:

Für ein Restaurant soll ein System entwickelt werden, das der zentralen Kommunikation und Verwaltung dient. Das gilt für die Abläufe der Mitarbeiter des Restaurants (Urlaub planen, Reservierung entgegennehmen), aber auch für die Gäste (Bestellung aufgeben, Rechnung bezahlen). Das System ersetzt den Kellner, sodass alle Abläufe des Gastes über das System laufen.

Um benutzbare Systeme entwickeln zu können, müssen der Nutzer und seine Ziele im Vordergrund stehen. In der Theorie ist dieses Vorgehen als Benutzerzentrierter und Zielgerichteter Ansatz bekannt. Dabei wird der Benutzer aktiv in den Entwicklungsprozess mit einbezogen und seine Ziele genauestens betrachtet. Alan Cooper [Cooper10] hat mit seinem Personas-Konzept eine Methode entwickelt, die den zielgerichteten Ansatz perfekt unterstützt.

Doch was sind Personas?
Personas sind keine wirklichen Menschen, sondern User-Archetypen. Das sind fiktive Rollenbilder, die bestimmte Gruppen von Personen widerspiegeln. Dabei werden die Aktivitäten, Einstellungen, Fähigkeiten und Kenntnisse, sowie die Umgebung der Benutzer sehr genau betrachtet. Weiter wird das Mentale Modell – das ist die Vorstellung des Benutzers, wie ein System funktioniert – untersucht. Denn je näher die Implementierung eines Systems an der Vorstellung des Benutzers liegt, desto intuitiver kann er es benutzen.

In unserem Beispiel wären einige der möglichen Persona-Rollen: Geschäftsführer des Restaurants, Koch, Servicemitarbeiter und Gäste.

Um eine repräsentative Persona erstellen zu können, benötigt man die Ergebnisse des Design-Research, einer vorherigen Phase im Zielgerichteten Prozess. In dieser Phase werden mittels qualitativen und quantitativen Methoden systematische Untersuchen durchgeführt, um Tatsachen festzustellen, Zielgruppen zu definieren sowie unbekannte Prozesse und menschliche Bedürfnisse zu verstehen.

Im Restaurant-Beispiel wird eine Marktanalyse (quantitative Methode) durchgeführt, um herauszufinden, welche verschiedenen Typen von Gästen es gibt. Außerdem werden unterschiedliche Köche an ihrem Arbeitsplatz beobachtet und befragt (qualitative Methoden), um an detailliertere Informationen zu gelangen.

Bei der Erstellung einer Persona orientieren wir uns am Vorgehen von Kim Goodwin [Goodwin09], einer langjährigen Mitarbeiterin von Alan Cooper.

Eine fertig erstellte fiktive Persona, hier im Restaurantbeispiel die Persona Koch, könnte so aussehen:

Rolle Koch
Demografische Variablen
Name: Tommaso Zanolla
Alter: 34
Familienstand: verheiratet, 2 Kinder
Verdienst: gering
Wohnort: außerhalb der Stadt
Herkunft: Italien
Verhaltensvariablen
Aktivitäten: Einkauf und Lagerhaltung verwalten;Koch ist dafür zuständig, dass die Woche über genug Lebensmittel und Getränke zur Verfügung stehen. Außerdem ist er auch für die Vorratshaltung verantwortlich. Dazu steht in jedem Restaurant eine Lieferantenakte zur Verfügung.
Gericht zubereiten;Der Koch bereitet das bestellte Gericht zu.
Speisekarte verändern;Der Koch muss sich im Abstand von 12 Wochen eine neue Spezialität aneignen. Außerdem kann er bei der Geschäftsleitung die Streichung eines Gerichts beantragen, falls dieses nicht oft bestellt wird.
Urlaub planen;Urlaubsantrag muss drei Wochen vorher in den Kalender der Stammfiliale eingetragen werden
Filiale zuweisen;Jeder Mitarbeiter muss sich wöchentlich in der Stammfiliale in die Planungstabelle eintragen und sich dabei einer Filiale zuweisen, in der er die Woche über arbeiten möchte.
Bestellungen aufgeben;Bestellungen, die nicht Lebensmittel betreffen, werden auf einem vorgegebenen Formular eingetragen
Einstellungen: Technischer Fortschritt;Der Koch denkt positiv über den technischen Fortschritt und findet die Idee, ein zentrales System zu schaffen sehr gut. Jedoch hat er Angst, dass kurzfristige Bestellungen (Einkäufe) verloren gehen könnten, falls es technische Probleme gibt.
Fähigkeiten: Bildungsstand;Der Koch besitzt eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Fähigkeit zu lernen;Im visuellen Lernen sehr gut.
Motive: Zentrale EinkaufslisteDer Koch möchte zu jeder Zeit auf die „Lieferantentabelle“ Restaurant-übergreifend zugreifen können.
Vorratshaltung anzeigen;Der Koch möchte, dass der Vorratsbestand vom System angezeigt wird.
Alle Spezialitäten anzeigen;Der Koch möchte seine bisherigen Spezialitäten angezeigt bekommen.
Preisvergleich beim EinkaufDer Koch möchte beim Einkauf einen Preisvergleich der Produkte angezeigt bekommen.
Können: Umgang mit dem ComputerDer Koch besitzt privat einen Computer und nutzt diesen zur täglichen Administration (E-Mails, Word, Excel, Fotos hochladen). Außerdem nutzt der Koch unregelmäßig soziale Netzwerke. Bei kleineren technischen Problemen braucht er keine fremde Hilfe.
MobiltelefonDer Koch besitzt ein Smartphone und benutzt dieses öfters als seinen Computer, um ins Internet zu gehen.
Mentales Modell: Vorstellung des Systems;Der Koch hat die Vorstellung, dass es im System wie ein Stapel Papier aufgebaut ist. In dem Stapel Papier befinden sich alle Tabellen und Listen, die es jetzt in Papierform auch gibt.

Die Persona-Beschreibung dient als Grundlage für weitere Schritte und vor allem der Kommunikation. Als nächstes werden aus den Aktivitäten der Persona Kontextszenarien erstellt und daraus die Bedürfnisse der Benutzer abgeleitet. Dazu aber im nächsten Blogbeitrag mehr.

[Cooper10]     Cooper, Alan; Reimann, Robert; Cronin David: About Face – Interface und Interaction Design. mitp, Heidelberg, 2010.

[Goodwin09]     Goodwin, Kim: Designing For The Digital Age. Wiley Publishing, Inc., Indianapolis, 2009.

Hier finden Sie den 1. Teil der Blogserie „Wie viel Usability Engineering braucht das RE?“.

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