„Achten Sie bei der Erstellung Ihrer Schulungsunterlagen bitte auf gender-gerechte Formulierung“, steht in der E-Mail meines Kunden, bei dem ich eine Schulung halten soll.
Aha. Gender-gerecht. Jetzt bin ich der englischen Sprache immerhin soweit mächtig, dass ich weiß, dass „gender“ „Geschlecht“ bedeutet. Meine Schulungsunterlagen sollen also – das denglische Wortkonstrukt wörtlich übersetzt – geschlechtergerecht sein. Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass Unterlagen auch geschlechterungerecht sein können.
Bei diesem Thema sollte ich Folgendes vielleicht vorweg erwähnen: Ich bin eine Frau. Und soeben habe ich sogar gelernt, dass ich eine Cis-Frau bin. Soll soviel heißen wie: Meine Umwelt und ich glauben alle, dass ich eine Frau bin. Sollten die Umwelt und ich da unterschiedlicher Meinung sein, dann wäre ich eine Trans-Frau. So ungefähr. Und weiterhin sollte ich auch anmerken, dass mir dieses Thema schon immer etwas suspekt war. Schon während meines Informatikstudiums fand ich es äußerst diskriminierend, dass es eine Frauenbeauftragte, aber keinen Männerbeauftragten gab. Oder dass es Angebote gab wie „Als Frau richtig bewerben“. Mit Gerechtigkeit hatte das in meinen Augen nichts zu tun. Warum ich als Frau eine Sonderbehandlung nötig hatte, wollte mir jedenfalls nicht einleuchten.
Nun wühle ich mich also durch diverse Leitfäden, auf der Suche nach der Antwort, wie man geschlechtergerecht formuliert. Dass es da Schrägstriche und Klammern gibt, mit denen man männliche und weibliche Formulierungen voneinander trennt, war mir ja durchaus bekannt. Auch das Binnen-I hatte ich schon mal gesehen. Aber dass diese verschiedenen Formen keinesfalls gleich „gut“ sind, war neu für mich.
Das Einklammern der weiblichen Form geht ja schon mal gar nicht, lerne ich. Genauso wenig wie ein „-“ vor der weiblichen Form (also z. B. Tester/-in) Denn dadurch würde die Frau ja als minderwertiger Anhang dargestellt. Nur der Schrägstrich ohne „-“, hingegen, ist ok: also Tester/in. Auch das Binnen-I ist ok: TesterIn. Bei Schriftarten ohne Serifen lese ich da allerdings immer Testerln und frage mich, was ein Testerl ist.
Wer Geschlechtergerechtigkeit aber richtig ernst nimmt, hält auch diese Schreibweisen für ungerecht. Warum? Weil sie zwangszweigendernd sind. Übersetzt heißt das: Menschen werden durch diese Formulierungen zwangsweise entweder dem männlichen oder dem weiblichen Lager zugeordnet. Menschen, die sich weder dem einen, noch dem anderen Geschlecht eindeutig zugeordnet fühlen, werden durch solche Formulierungen nicht angesprochen.
Hier wurden die Vertreter des Gender-Mainstreaming nun richtig kreativ. Die „Unterstrich-Sonderzeichen-Variante“ soll hier Abhilfe schaffen. Das sieht dann so aus: Tester*in oder Tester_in. Es gibt hier also einen Platzhalter für all diejenigen, die sich weder als Tester noch als Testerin verstehen.
Mein besonderer Liebling, den ich sofort mit Gallien assoziiere: die x-Formulierung: Testx, Kundx, Entwicklx. Ich bin also Beratx, gesprochen „Beratix“. Das „ER“ am Ende eines Wortes, das es männlich macht, wird durch ein „x“ ersetzt und soll somit für alle Geschlechtsidentitäten stehen.
Ein interessanter Ansatz. Aber ehrlich gesagt löst er bei mir zwei Dinge aus: Schmunzeln und Schmerz. Ob das die Reaktionen sind, die dx Erfindx im Sinn hatte? Schmunzeln, weil es mich – wie gesagt – an Gallien bzw. Asterix erinnert, Schmerz, weil ich die deutsche Sprache doch recht gern habe, und mir ihre Verunstaltung weh tut.
In meinen Schulungsunterlagen verwende ich dann doch lieber die einfache Schrägstrich-Variante, da ich ein Freund* lesbarer Texte bin.
* Oder wegen mir auch Freundin oder Freund/in oder Freundx oder Freund_in oder Freund*in aber natürlich auf keinen Fall Freund/-in oder Freund(in).
Bildquellen:
Titel: Colleagues holding question mark signs
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Autor: Yuri Arcurs
Titel: Thinking young woman
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Titel: Junge Mädchen Wegweiser
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Da bin ich kürzlich in einem Kommentarbereich auf einen netten Vorschlag gestoßen (Quelle: siehe URL hinter dem Namen)
„Ich bin unbedingt für gendergerechte Sprache, finde allerdings auch, dass derdiedas Studierende einen staubigen Partizipmief einer Amtsstube des ausgehenden 19. Jahrhunderts atmet. Den, den Kurt Tucholski immer hochgenommen hat.
Wie wär’s denn mit dem generischen Diminutiv? Wenn ein Studentchen Probleme mit seiner Hausarbeit hat, möge es einen Termin beim Professorchen vereinbaren… Das hätte den Charme, dass der Genus sich gleich nach sächlich verschiebt, so dass nicht beim ersten Pronomen die mühsam getackerte Wunde wieder aufreisst. Ausserdem wären so alle 17 Geschlechter mit einem Harkenzug eingearbeitet. Die Drolligkeit der Verkleinerungsform würde man nach etwas Gewöhnung bestimmt gar nicht mehr wahrnehmen.“
:-)
Vielen Dank für die Ergänzung!
Mit Beraterchen, Testerchen und Kundchen könnte ich mich durchaus anfreunden :-)