Nachdem wir im ersten Teil unserer Beitragsserie die Änderungen und Aufgaben des Marketing aufgezeigt haben, befassen wir uns im zweiten Teil mit den Themengebieten Coaching, Pilotierung und Migration.
Coaching
Grundsätzlich benötigen alle Mitarbeiter den gleichen Stand bezüglich Agilität und der gewünschten Vorgehensmethodik. Dafür werden Schulungen über jeweils zwei Tage stattfinden. In diesen Schulungen wird die grundlegende Theorie vermittelt und es können erste Erfahrungen mit Agilität gesammelt werden.
Das agile Mindset setzt die Fähigkeit voraus, selbst zu denken und Schlüsse aus erlerntem, deklarativem Wissen zu ziehen. In der Umsetzung bedeutet das, dass von jedem einzelnen Mitarbeiter, eventuell in Zusammenarbeit mit einem Coach, verlangt wird, das neue Wissen über Agilität in Bezug auf seinen Arbeitsalltag und seine Aufgaben zu reflektieren. Außerdem muss er die eigene Arbeitsweise an das agile Vorgehensmodell anpassen bzw. darauf achten, dessen Regeln nicht zu verletzen.[1]
Für die Schulungen setzt die ETC 2-3 interne Berater ein, die bereits praktische Erfahrung als Scrum-Master oder Product-Owner gesammelt haben. Diese Berater stimmen sich ab und arbeiten einen geeigneten Lehrplan aus. Beim Lehrplan muss natürlich berücksichtigt werden, dass jeder Mitarbeiter abhängig von seiner Position und Tätigkeit im Unternehmen einen anderen Arbeitskontext hat. Somit bleibt der Lehrplan inhaltlich zunächst sehr allgemein. Die ETC bietet für den Lehrplan, der auf der Wiki veröffentlicht wird, eine anonyme Feedbackmöglichkeit in Form einer elektronischen Beschwerdebox an und stellt dieses Feedback auf der Wiki zur Diskussion zur Verfügung.
Um die Mitarbeiter bei der Umstellung zu unterstützen, werden weitere interne Berater als agile Coaches eingesetzt. Sie unterstützen als Mediatoren, Reflektoren und Diskussionspartner. Um den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, den Coaches Feedback zukommen zu lassen, kommt wiederum die anonyme Beschwerdebox zum Einsatz. Da die Anzahl der internen Coaches zu gering ist, um allen Mitarbeitern eine ausreichende Unterstützung bieten zu können, werden am Anfang zusätzlich externe Coaches gebucht.
Ein Problem das sich durch die flache Hierarchiestruktur von SOPHIST ergibt, ist die mögliche Entstehung von Konflikten zwischen Mitarbeitern und den eigenen Beratern, wenn Meinungsverschiedenheiten aufkommen oder Kompetenzen in Frage gestellt werden. Für diesen Fall steht die ETC als Vermittler und Konfliktlöser zur Verfügung.
Die Ressourcen der Berater, die zusätzlich eine interne, beratende Tätigkeit übernehmen, müssen von der Personalabteilung bzw. von der Geschäftsführung freigegeben werden, um Überlastung aufgrund der erweiterten Tätigkeit zu vermeiden.
Pilotierung
Abbildung 1: Zeitliche Abläufe während der Einführung
Im Rahmen der Pilotierung wird jede Abteilung aufgefordert, ein Projekt oder einen Arbeitsprozess auszuwählen, der repräsentativ für ihre Aufgaben ist. Dieser wird dann zu ihrem Pilot. Der Pilot ist auf ein bis drei Monate begrenzt, da dadurch genug Erkenntnisse gesammelt und weitere Probleme aufgedeckt werden können. Sowohl Erkenntnisse als auch Probleme werden dann in das Improvement-Backlog eingetragen und für die weitere Bearbeitung priorisiert. Die Abteilungen gewinnen so erste Erfahrungen mit der agilen Vorgehensweise, können aus ihren Fehlern im Pilotprojekt lernen und andere Abteilungen mit einer ähnlichen Problematik unterstützen. Für die Dokumentation stehen die ETC sowie die Wiki bereit.
Nachdem alle Abteilungen ihre Piloten abgeschlossen haben und die Erfahrungen untereinander ausgetauscht wurden, werden die letzten Einträge des Improvement-Backlogs abgearbeitet. Bei unbefriedigenden Ergebnissen ist geplant, dass die Betroffenen die Probleme gezielt auf ihre Ursachen untersuchen, die gesammelten Erkenntnisse der anderen Piloten als Quelle für mögliche Verbesserungsvorschläge zu analysieren und ordentlich zu dokumentieren.
Auf Basis der dokumentierten Daten und der Rückmeldungen aus den Piloten entscheidet die ETC, wann die unternehmensweite Einführung startet bzw. ob diese sich mit der weiteren Beseitigung von Problemen überschneiden wird. Weiterhin überprüft die ETC, ob die Einführung einen positiven oder negativen Trend entwickelt, woraufhin die Geschäftsführung entscheiden muss, ob die Einführung weitergeführt oder abgebrochen werden soll.
Migration
Als Beratungsfirma hat SOPHIST im Rahmen der Umstellung auf Agilität keine Berührungspunkte mit der technischen Infrastruktur die für agile Entwicklung benötigt wird. Im Vordergrund stehen daher eher Projektmanagement und internes Prozessmanagement, da alle bestehenden Lösungen nach und nach durch agile (oder agilere) Prozesse ersetzt werden sollen.
Die Geschäftsleitung geht davon aus, dass vom Beschluss bis zur Einführung circa 4-8 Monaten liegen. Es bleibt also genug Zeit, um laufende nicht agil arbeitende Projekte abzuschließen. Die einzelnen Abteilungen bekommen als Aufgabe, sich Gedanken über ihre abgeschlossenen Projekte machen, bei denen eventuell Nachbereitung oder weiterführende Betreuung eine Rolle spielen könnten. Plötzlich während eines Sprints anfallende Änderungen können schließlich erst in der nächsten Sprintplanung berücksichtigt werden. Bei nicht planbaren Vorkommnissen oder Notfällen gilt, dass sie je nach Dringlichkeit entweder sofort bearbeitet oder im nächsten Sprint eingeplant werden sollen.
Natürlich müssen auch die internen und externen Schnittstellen angepasst werden, so dass für Geschäftspartner und Kunden kein erheblicher Veränderungsaufwand entsteht. Die internen Schnittstellen, z.B. Präsentationserstellung oder Trainingsüberarbeitung, sind relativ einfach zu definieren, da ja jeder mit Scrum arbeitet und die Planung in Sprints erfolgt.
Die Berater allerdings müssen sich an ihre jeweiligen Kunden anpassen und sind, solange sie beim Kunden vor Ort sind, nicht an die interne Umstellung gebunden. Sollten sie jedoch zusätzlich als interne Trainer und Coaches vorgesehen sein, müssen sie ihre Arbeit auch auf die Arbeitsweise und Zeitressourcen der betreuten Mitarbeiter abstimmen.
Interne und externe Coaches sowie zwei entscheidungsbefugte Vertreter der ETC treffen sich zu Beginn der Einführung in einem Kick-Off-Meeting, um die Aufgaben zu koordinieren und die Mitarbeiter den Coaches zuzuteilen. Im Anschluss planen die internen Coaches in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung ihre Ressourcen und stimmen sie mit der Geschäftsführung ab.
Bei Abteilungen mit Schnittstellen nach außen ist es schwierig, die Arbeit auf Agilität umzustellen, weswegen die Aufgaben in «ist agil umsetzbar» und «ist nicht agil umsetzbar» aufgeteilt werden. Schwierigkeiten entstehen vor allem bei reaktiven Tasks, zum Beispiel wenn das Back-Office auf eine Aktion von außen wie einen Anruf warten muss. Der Zeitpunkt und die Dauer für die Bearbeitung solcher Aufgaben können nicht geplant werden, da sie nicht relevant sind, solange der Auslöser nicht auftritt. Als Lösung ist hier ein Puffer vorgesehen, der für alle nicht agil umsetzbaren Aufgaben verwendet wird. Es ist auch geplant zu untersuchen ob die Pufferplanung durch den Einsatz von Hybridansätzen wie Scrumban weiter detailliert und optimiert werden kann. Alle agil umsetzbaren Aufgaben sollen vorerst mit Scrum alleine umgesetzt werden.
Sobald die Pilotierungsphase abgeschlossen ist, beginnt die Einführungsphase. Sie findet flächendeckend statt, da es eine überschaubare Anzahl an Abteilungen und Mitarbeitern gibt. Die Umstellung findet in einem relativ kurzen Zeitraum von ca. 1-2 Wochen statt, in dem nach und nach alle Sprints starten, wobei sich die Sprintlänge unterscheiden kann. Wenn Abteilungen oder Teams Schnittstellen zueinander haben, sollen sie sich absprechen und ihre Sprintstarts synchronisieren. Dies ist nötig um Wartezeiten zu verhindern, falls sie auf Ergebnisse eines anderen Teams angewiesen sind.
Inzwischen nimmt die Einführung langsam Fahrt auf… natürlich ist es aber auch interessant, noch ein bisschen weiter hinter die Kulissen zu schauen. Wie sieht es in den Bereichen Human Resources und Controlling aus? Mehr dazu lesen sie im nächsten Blogbeitrag.
———————————————————-
Teil 1: Einführung von Agilität (EvA) – Wenn nicht jetzt, wann dann?
Teil 2: EvA: Die Top-Down-Einführung – Alles Gute kommt von oben
Teil 3: EvA: Die ETC als Beispiel für eine Top-Down-Einführung – Gemeinsam sind wir stark
Teil 4: EvA mit ETC: Durch die Klippen der agilen See
———————————————————-
[1] Vgl. Rupp (2014), Seite 493ff.