Vor kurzem hat es einen Wechsel in der Vorstandschaft des IREB e.V. gegeben. Unser Projektkoordinator Nico Klose hat die ehemals 1. Vorstandsvorsitzende Chris Rupp zu dem Thema interviewt. Erfahren Sie hier mehr über den Rücktritt des IREB-Vorstands.
Hallo Chris, Du bist am 11. April 2014 als Vorsitzende des IREB zusammen mit dem gesamten Vorstand zurückgetreten. Ich möchte das als Anlass nehmen, Dir ein paar Fragen zum IREB, dem Grund Deines Rücktritts und den weiteren Plänen zu stellen.
Der IREB ist seit langem etabliert, der Ausbildungsstandard mittlerweile international weit verbreitet. Du warst federführend bei der Gründung des Boards im Jahr 2005, wie kam es eigentlich dazu?
Chris Rupp: Nachdem sich 2005 der Certified Tester erfolgreich auf dem Markt etablierte, lag die Frage nahe, ob ein äquivalentes normiertes Ausbildungsschema auch im Bereich Requirements-Engineering Sinn macht. Ich wurde damals häufig auf das Thema angesprochen und mit der Aussage konfrontiert, dass ich in Deutschland doch die geeignete Person wäre, um ein derartiges Unterfangen ins Leben zu rufen. Diesem sehr schmeichelhaften Anliegen habe dann nachgegeben, mich auf die Suche nach kompetenten und renommierten Kollegen begeben und ein Board gegründet.
Bei der Zusammenstellung des Teams war mir damals ein möglichst hochqualifizierter und vielseitiger Aufbau sehr wichtig. Das Ziel war also von Anfang an die besten Köpfe sowohl aus Industrie als auch Forschung sowie dem Trainingsbereich an einen Tisch zu holen.
Wenn Du betrachtest an welchem Punkt ihr damals angefangen habt, wie beurteilst Du die Entwicklung?
Chris Rupp: Ich kann jetzt auf 10 Jahre IREB-Geschichte zurückblicken und bin stolz auf das, was wir im Rahmen dieser freiwilligen Leistung alles geschafft haben.
Unser erstes Ziel war es einen Lehrplan (natürlich inkl. Prüfungsfragen) zu erstellen, der wissenschaftlich und praktisch gut abgesichert ist.
Ich stehe natürlich nicht hinter jedem Satz der nun im Lehrplan steht oder jeder Definition im Glossar denn diese Artefakte sind das Ergebnis langer Diskussionen und der Kompromiss von vielen Expertenmeinungen. Manche Diskussionen waren langwierig und ermüdend (und ich habe mich natürlich so manches Mal gefragt, warum ich mir das ernsthaft antue ;-)).
In der Gesamtbetrachtung empfinde ich alle Lehrpläne, die wir erarbeitet haben (den Foundation Level und die beiden bestehenden Advanced Level) als qualitativ sehr hochwertig. Wir haben damit einen Standard in der Ausbildung gesetzt und das sogar international. Aus der anfangs eher europäisch geprägten Idee IREB ist inzwischen ein wirklich internationales Projekt geworden und es macht Spaß mit RE-Experten aus allen erdenklichen Ländern der Welt zusammen zu arbeiten.
Die Mission des IREBs ist ein Zertifizierungsmodell mit Lehrplänen und Prüfungen bereit zu stellen und damit die Standardisierung der Aus- und Weiterbildung im Requirements-Engineering zu fördern. Hiermit soll letztlich die Praxis im Requirements-Engineering und der Business Analyse verbessert werden. Denkst Du Ihr seid hier auf einem guten Weg?
Chris Rupp: Ja und Nein. Wir haben mit den Lehrplänen eine solide Basis für eine gute Ausbildung geschaffen. Insbesondere das deklarative Wissen (Faktenwissen), das ein Requirements-Engineer für seine Arbeit braucht ist gut abgedeckt. Die IREB-Foundation Level Prüfung haben inzwischen über 20.000 Menschen abgelegt. Der Erfolg am Markt zeigt auch, dass das Zertifikat sinnvoll ist und in die Zeit passt.
Das prozedurale Wissen (also wie man RE wirklich im Projekt erfolgreich anwendet) lässt sich allerdings nur bedingt in einem Lehrplan vermitteln. Die wirkliche Vermittlungsarbeit – insbesondere beim prozeduralen Wissen – muss damit der Trainer leisten, der das entsprechende CPRE-Training hält. Hier gibt es naturgemäß Qualitätsunterschiede.
Für alle Menschen, die kein Training besuchen, bietet das Buch „Basiswissen für Requirements Engineering“ von Klaus Pohl und mir eine gute Basis, um sich in die theoretischen Grundlagen einzulesen.
Ich denke man kann die Situation kurz gefasst so beschreiben: Jemand, der das CPRE-Zertifikat abgelegt hat, ist nicht automatisch ein guter Requirements-Engineer. Er hat aber zumindest das nötige Faktenwissen um starten zu können und befindet sich auf einem guten Weg.
Kommen wir nun zu Deinem Rücktritt als Vorsitzende. Bitte erkläre uns doch kurz die Hintergründe zu diesem Schritt.
Chris Rupp: Der IREB ist größtenteils ein geistiges Kind von mir, das ich nun über 10 Jahre geführt und maßgeblich begleitet habe. Dieses Kind loszulassen fiel mir erstaunlich leicht. Ich habe meine Rolle mit Heiterkeit und Leichtigkeit aufgegeben. Ich genieße es Räume freizugeben, Andere zu fördern aber auch zu fordern. Ich wollte zu keinem Zeitpunkt zum Diktat für meine Boardkollegen werden.
Meine Vision für den IREB (und auch die des mit mir amtierenden Vorstandes) war eine weitere Öffnung des Boards für mehr Mitglieder, die dann nach kurzer Zeit gleichberechtigt mitarbeiten und mitbestimmen sollten. Für uns als Vorstand war das der anvisierte Weg um frische Ideen und neuen Schwung in das Board zu bekommen. Der IREB besitzt inzwischen sehr viele qualifizierte Supporting Member, die seit Jahren aktiv mitarbeiten und denen wir durch eine Satzungsänderung ermöglichen wollten ins Board aufzusteigen. Um unserer Überzeugung, dass der IREB eine Veränderung braucht Nachdruck zu verleihen, haben wir mit dem Vorschlag unseren Verbleib als Vorstand verbunden. Nachdem eine Mehrheit des Boards gegen die neue Satzung gestimmt hat, sind wir zurückgetreten. Damit konnte ein neuer Vorstand gewählt werden, der in diesem Punkt auch eher die Zukunftsvision des gesamten Boards vertritt. Ich bin über diese Entscheidung nicht traurig und wünsche dem neuen Vorstand viel Erfolg.
Du bist ja weiterhin Mitglied des Boards, wie siehst Du hier Deine Rolle in der Zukunft?
Chris Rupp: Ich werde vor allem genießen, dass ich wesentlich weniger in Managementaufgaben des IREB verstrickt bin. Dafür werde ich mich inhaltlich engagieren, um die hohe Qualität der Lehrpläne und Prüfungsfragen zu sichern und auszubauen.
Neben Dir waren in den letzten Jahren auch viele SOPHIST-Kollegen immer wieder engagiert dabei und haben zum Beispiel an der Lehrplanerstellung mitgearbeitet. Ist hier in der Zukunft eine Änderung zu erwarten oder engagiert sich SOPHIST als Firma weiterhin für den IREB?
Chris Rupp: Bisher waren an der Ausarbeitung jedes Lehrplans, jedes Prüfungsfragensets und auch der meisten anderen Maßnahmen immer ein oder zwei SOPHISTen beteiligt. Dies lag sicherlich auch daran, dass die SOPHISTen mit mir als Geschäftsführerin jemanden hatten, der bereitwillig Ressourcen spendiert hat, insbesondere wenn ein Projekt mal in Schieflage geriet. Natürlich werden wir fachlich weiterhin in einem sinnvollen Maß mitarbeiten.
Ich habe aber auch die Hoffnung, dass wir SOPHISTen in Zukunft wieder mehr Zeit in eigene Innovationsprojekte stecken können. In den letzten Jahren liefen pro Jahr nur ca. 3 Bachelor-/Master-/Doktorarbeiten und einige weitere interne Innovationsprojekte. Diese Anzahl werden wir jetzt wieder erhöhen, denn gerade diese Projekte sichern unseren Vorsprung auf dem Markt.
Mit Rainer Grau, Prof. Dr. Camille Salinesi und Dr. Kim Lauenroth wurde ein neuer Vorsitz gewählt. Hast Du eine bestimmte Hoffnung oder Wünsche an den neuen Vorsitz und das IREB in Zukunft?
Chris Rupp: Mein Wunsch ist eine Öffnung des IREBs für neue Mitglieder. Mehr Pluralität und neue engagierte, wissende Menschen würden uns voran bringen und die Qualität vermutlich sogar erhöhen. Vielleicht erlernen ja ein paar mehr meiner Boardkollegen den Genuss des Loslassens ;-).
…
Vielleicht hast Du zum Ende noch ein paar persönliche Gedanken über Deine Zeit beim IREB?
Chris Rupp: Erst einmal Danke an alle meine Boardkollegen, die viel Zeit, Engagement und Nerven in dieses Projekt investiert haben ohne dafür bezahlt zu werden. Ich habe in der Zeit viele spannende Diskussionen mit euch geführt, die mich weiter gebracht haben. Über die vielen Jahre der Zusammenarbeit habe ich viele von euch persönlich gut kennen und schätzen gelernt!
Mich fasziniert immer wieder, was aus der Idee dieses Vereins geworden ist. Wir haben es geschafft weltweit mehr als 20.000 Menschen von unserer Idee zu überzeugen, so dass sie eine Prüfung absolviert haben. Darauf können wir alle sehr stolz sein.
Vielen Dank für das Interview Chris.
Das Interview wurde geführt von Nico Klose.
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