Im ersten Teil der Serie haben wir Ihnen einen kurzen Einblick in das Persona-Konzept nach Kim Goodwin gegeben. Heute möchten wir Ihnen näher bringen, wie wir das Konzept für uns im RE nutzen können.
Dazu benötigen wir noch einen weiteren Begriff, die Szenarien. Die Tätigkeiten, die eine Persona in einer Anwendung oder im Kontext einer Anwendung macht werden im Persona-Steckbrief dokumentiert. Daraus können die konkreten Szenarien abgeleitet werden, die beschreiben, was unsere Persona tut. Hier ein Beispiel, wie eine Persona Stammgast über eine Anwendung ein Gericht auswählen könnte:
Szenarien für das Benutzerverhalten an einem Beispiel
- Lin Zhang und seine Frau Suzie wählen aus der Speisekarte ein Gericht aus
- In der Speisekarte ist ein Hinweis auf die wöchentlichen Spezialitäten zu finden.
- Lin und Suzie entscheiden sich beide für die wöchentliche Spezialität aus der Spezialitätenliste
- Als Getränke wählen sie die dazu empfohlenen Weine, sowie eine Flasche Wasser.
Zusammen mit den definierten Variablen des Persona-Steckbriefes sind dann alle Informationen gesammelt, um unsere Artefakte aus dem Requirements Engineering sinnvoll zu vervollständigen und zu überprüfen:
Zieldokumentation
Im RE sollte immer ein klares Ziel definiert werden, um fokussiert Anforderungen erheben zu können. Die Verhaltensvariable Ziel im Persona-Steckbrief kann verwendet werden, um das Ziel zu verifizieren.
Systemkontext-Diagramme
Die Dokumentation des Systemkontexts kann mit Hilfe der Verhaltensvariable Nutzungskontext geprüft und ggf. erweitert werden: Gibt es weitere Anforderungsquellen für unser System?
Use-Case-Diagramme
Die aus der Verhaltensvariable Aktivitäten abgeleiteten Szenarien (siehe oben) bilden ggf. weitere Use-Cases ab, die in das Diagramm aufgenommen werden müssen.
Soweit ein Überblick, wie Sie einen Persona-Steckbrief in den ersten Phasen des RE als Anforderungsquelle nutzen können.
Grundsätzlich müssen alle Verhaltensvariablen einer Persona auch auf mögliche Anforderungen für den konkreten Nutzungsablauf oder auf nicht-funktionale Anforderungen hin geprüft werden. Die gesammelten Anforderungen gehen in eine Anforderungsliste ein, die dann die Basis für die Gruppierung und Modellierung der Nutzungsabläufe darstellen. Aber auch Begriffe können aus den Verhaltensvariablen abgeleitet werden, die dann das Klassendiagramm ergänzen. Das alles wollen wir in den nächsten Teilen der Blogserie betrachten und dabei die Fragen beantworten:
- Was ist eine Anforderungsliste und wie kann sie aus dem Persona-Steckbrief extrahiert werden?
- Wie müssen Benutzerinteraktionen im RE berücksichtigt werden?
- Wie modelliert man Nutzungsabläufe und wie hängen sie mit dem Aktivitätsdiagramm für die Ablaufmodellierung aus dem RE zusammen?
- Wie können Begriffsmodelle ergänzend modelliert bzw. integriert werden?
- Wie kann die Qualitätssicherung von Anforderungen durch Usability-Aspekte verbessert werden?
Seien Sie gespannt auf die Antworten auf diese Fragen und auf die Fortsetzung unseres praktischen Beispiels aus der Blogserie „Wie viel Usability Engineering braucht das Requirements Engineering, Teil 2“ im Teil 3 dieser Blogserie!
Quellen:
Chris Rupp und die SOPHISTen: Requirements-Engineering und –Management – Professionelle, iterative Anforderungsanalyse für die Praxis, Hanser Verlag, München 2009.
Goodwin, Kim: Designing For The Digital Age. Wiley Publishing, Inc., Indianapolis, 2009.