Vermittlungsmethoden im Software Engineering
In den Anfängen der Telekommunikation war das Fräulein vom Amt eine vertraute Stimme auf der anderen Seite der Leitung. In ihrer hilfsbereiten und freundlichen Art war sie gleichwohl beliebt wie auch unersetzlich für eine erfolgreiche Vermittlung zwischen den Gesprächsteilnehmern.
Ihre Aufgabe beschränkte sich jedoch nicht auf die Herstellung einer technischen Verbindung für eine Gesprächsübertragung. Dem einen oder anderen erschien der Fernsprecher nämlich als fremdartiger Apparat und bedurfte auch einer Vermittlung aus psychologischer Sicht.
Die Vermittlung im Software Engineering, von der dieser Blog handelt, ist weit anspruchsvoller als die manuelle Herstellung einer Verbindung im Telekommunikationsnetz. Es geht auch nicht um die Vermittlung als Mediation, also dem Versuch eine Einigung in einer Konfliktsituation zu erzielen, wie es Heiner Geißler im Bahnprojekt Stuttgart 21 tat. Vielmehr thematisiert dieser Blog die Vermittlung als pädagogischen Prozess des Lehrens und Lernens. So wird z.B. der Transfer solcher Kompetenzen beleuchtet, die für die Erstellung von Anforderungen notwendig sind.
Der eine oder andere mag jetzt denken: „Nicht schon wieder neue Methoden für das Erstellen von Anforderung.“ Doch weit gefehlt! Denn diese Blogserie geht einen Schritt weiter bzw. zurück und untersucht die Methoden für die Vermittlung von Methoden. Sie bewegt sich damit also gewissermaßen auf der Meta-Ebene der Vermittlung.
Und warum tun wir das noch, wenn von uns schon seit Jahren die unterschiedlichsten Methoden und Techniken erfolgreich vermittelt werden?
Nun, die richtige Wahl einer Vermittlungsmethode hängt von vielen Faktoren ab. Sie wird von unseren Trainern auf der Grundlage ihres mentalen Modells getroffen, das sich durch langjährige Erfahrung in ihren Köpfen gebildet hat. Jetzt gilt es, dieses Modell und den Auswahlprozess einer Vermittlungsmethode explizit zu machen. Dadurch können wir aufzeigen, warum die Vermittlung von Wissen zuweilen fehlschlagen kann.
Aber auch im Bereich der Softwareentwicklung mit agilen Prozessen trifft man auf Probleme dieser Art. Das Manifest der agilen Softwareentwicklung besagt u.a., dass Individuen und Interaktionen wichtiger sind als Prozesse und Werkzeuge. Somit wird ein eher schlecht dokumentiertes Verfahren mit guten Interaktionen einem gut dokumentierten Verfahren mit schlechten Interaktionen vorgezogen. Die Qualität der Interaktion und Kommunikation zwischen den Individuen ist jedoch nicht immer ausreichend hoch, sodass wesentliche Aspekte bei der Entwicklung von Software teilweise nicht über- oder gar vermittelt werden.
Und aus genau diesen Gründen gibt es eine neue Blogserie, die sich mit der Wissensvermittlung im Bereich Software Engineering befasst. Freuen Sie sich auf mindestens drei Blog-Episoden zum Thema. Der nächste Beitrag beleuchtet den Vermittlungsgegenstand, also das Wissen an sich. Was ist eigentlich Wissen und wie ist es definiert? Begriffe wie Wissensgesellschaft oder Wissensmanagement sind den meisten von uns zwar geläufig, aber eine spontane Definition des Begriffs Wissen wird wohl nicht gelingen.