Hintergründe von NaPiRE
Wenn man „napire“ googelt, stößt man auf ein Forschungsprogramm der Organization for Tropical Studies, die „Native American Pacific Islander Research Experience“. NaPiRE ist allerdings auch die Abkürzung für „Naming the Pains in Requirements Engineering“, den Titel einer Umfragefamilie zum Status quo im Requirements Engineering mit dem Zeil, eine repräsentative empirische Grundlage an Forschungsdaten zum Requirements Engineering in der Praxis zu schaffen.
Bestehende Studien zum Thema RE beziehen sich nach Angaben der Initiatoren von NaPiRE, Daniel Méndez (TU München) und Stefan Wagner (Universität Stuttgart), entweder auf sehr spezielle Einzelthemen, untersuchen spezifische RE-Methoden oder sind auf den Kontext eines einzelnen Unternehmens oder Landes beschränkt. Die Ergebnisse dieser Studien lassen sich daher nur bedingt für allgemeine empirische Forschung nutzen… sie sind schlicht nicht repräsentativ genug.
Daher entwickelten Méndez und Wagner mit NaPiRE ein Konzept für eine Umfragefamilie, die international von unterschiedlichen Forschergruppen durchgeführt und regelmäßig jährlich wiederholt werden soll. Auf diese Weise soll eine Datenbasis zum Status von RE im internationalen Umfeld geschaffen werden, auf der an Lösungen für die Herausforderungen im RE geforscht werden kann.
Ausgangspunkt für die Inhalte des Fragebogens bildeten eigene Erfahrungen und Forschungsarbeiten von Méndez und Wagner sowie Angaben aus der Literatur. Die Studie sollte in Zusammenarbeit mit anderen Forschern aus dem internationalen Umfeld entwickelt werden, daher präsentierten und diskutierten Méndez und Wagner das Konzept unter anderem auf der Konferenz des International Software Engineering Research Network (ISERN) 2012 und dem International Workshop on Experiences and Empirical Studies in Software Modelling (EESSMod/MoDELS) 2012. Interne und externe Reviews, ein Pilotprojekt im Industrieumfeld und Verprobungen sicherten zusätzlich die Qualität der Fragebögen.
Aufbau von NaPiRE
Insgesamt umfasst der NaPiRE-Fragebogen 35 Fragen mit offenen Fragen sowie geschlossenen Fragen der Typen Einfachauswahl, Mehrfachauswahl und Likert-Skalen mit fünf Abstufungen (z. B. von „stimme vollkommen zu“ bis „stimme überhaupt nicht zu“). Die Fragen verteilen sich auf vier Forschungsaspekte:
Ergebnisse der Umfrage in Deutschland 2012/13
November 2012 bis Januar 2013 wurde NaPiRE in Deutschland als geschlossene anonyme Umfrage durchgeführt und erzielte eine Rückläuferquote von 55% (berücksichtigt wurden nur vollständig ausgefüllte Fragebögen). Die ausgewählten Teilnehmer arbeiteten überwiegend in Deutschland in den Bereichen Softwareentwicklung, IT-Beratung, Beratung zu Projektmanagement und Beratung zu Softwareprozessen und besaßen zu 80% mindestens drei Jahre Berufserfahrung in ihrem Gebiet.
Nach Auswertung der Studie kamen die Initiatoren zu folgenden Zusammenfassungen und Interpretationen in Bezug auf die Forschungsfragen:
RQ 1 What are the expectations on a good RE?
Requirements Engineering wurde als Projektbereich eingeschätzt, in dem Verbesserungen am vorteilhaftesten wären, aber auch als Gebiet gesehen, in dem Verbesserungen am schwierigsten umzusetzen wären.
RE-Standards und Referenzmodelle, sowie Prozessverbesserungen im Requirements Engineering, böten potenziell viele Vorteile, seien aber in vielen Unternehmen keine Voraussetzung. Als wichtigste Bestandteile von RE-Standards und Referenzmodelle wurden klar definierte Artefakte, Rollen und Verantwortlichkeiten gesehen. Zudem sollten die RE-Standards und Referenzmodelle agile Vorgehensweisen unterstützen und anpassbar sein. Als größtes Hindernis für gutes RE schätzten die Teilnehmer der Umfrage die mangelnde Bereitschaft zur Veränderung ein.
RQ 2 How is RE defined, applied, and controlled?
Es zeigte sich, dass 45% der Befragten einen RE-Standard oder ein Referenzmodell verwendeten, dass typische RE-Artefakte definierte, und dass 53% der Befragten auf der Basis von Checklisten und Dokumentenvorlagen Qualitätssicherung durchführten. Zudem werden RE-Standards und Referenzmodelle in einem Großteil der Unternehmen zu Projektbeginn angepasst. Allerdings wird oft die tatsächliche Anwendung des RE-Standards oder Referenzmodells im Projekt nicht kontrolliert.
RQ 3 How is RE continuously improved?
In 83% der Unternehmen der Befragten wurde, meist aus eigener Motivation, kontinuierliche Prozessverbesserung durchgeführt. Als Methoden zur Prozessverbesserung wurden überwiegend Meetings, Diskussionen und lessons learned genutzt. Wie von den Initiatoren der Studie erwartet, waren die Ansätze zur Prozessverbesserung eher problemorientiert als normativ, aber entgegen der Erwartungen zeigte sich in Bezug auf die Anwendung von normativen Modellen wie CMMI keine Korrelation zur Unternehmensgröße.
RQ 4 Which contemporary problems exist in RE, and how do they manifest themselves in the process?
Als Hauptproblem mit den angewendeten RE-Standards und Referenzmodellen erwies sich, dass die meisten RE-Standards und Referenzmodelle zu abstrakt blieben und damit keine ausreichende Anleitung zur Erstellung präziser Spezifikationen boten.
Zu den allgemeinen Problemen gehörte unter anderem die Integration des Requirements Engineerings ins Risikomanagement. Als größte Probleme wurden unvollständige und inkonsistente Anforderungen, Kommunikationsfehler im Team und mit dem Kunden und zu eng bemessene Zeitvorgaben/Time boxing genannt.
Weitere Entwicklung von NaPiRE
Aktuell wird NaPiRE in den Niederlanden durchgeführt. Die Ergebnisse aller NaPiRE-Umfragen sollen sowohl in einem jährlichen Report publiziert als auch im sogenannten PROMISE (PRedictOr Models In Software Engineering)-Repository zur Verfügung gestellt werden.
Quellen:
Eine belastbare Studie ist für die Argumentation eine wirklich große Hilfe. Die Erkenntnisse kann man auch gleich für die Weiterentwicklung der eignen Projektgedanken in Bezug auf RE verwenden. Danke für den Hinweis!
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