Zugegeben, es klingt befremdlich, betrachtet man japanische Jugendliche, die sich monatelang in Internetcafes einmieten, sich dort nahezu ausschließlich MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing Games = Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel) hingeben, den Platz nicht mal zum Schlafen verlassen und der „Gesellschaft“ lediglich als Avatar bekannt sind.
Und wen interessiert ein Facebook-Post „Hab gerade gefrühstückt und geh jetzt Duschen“?
Aber zeigen diese Phänomene den vielprophezeiten Niedergang des öffentlichen Lebens und die Entwicklung zu einer Gesellschaft der Stubenhocker? Nicht zwingend!
Sonderbarerweise scheint der Drang nach Outdoor und hinein ins öffentliche trotz oder gerade wegen der Digitalisierung heutzutage stärker denn je. Allerorts entwickeln sich Aktivitäten und Events, die eines gemein haben – sie finden draußen statt und begreifen den öffentlichen Raum als gesellschaftlichen Ort, den es gemeinsam neu zu nutzen und zu gestalten gilt. Städtisch „unattraktive“ Gelände werden zu athletischen Übungsplätzen der „Parcour“-Jünger, Horden von Kindgebliebenen begeben sich auf Schatzsuchen innerhalb und außerhalb der Metropolen der Welt (Geocaching) und Urban-Golfer verstehen die ganze Stadt als Spielwiese des früher noch ach so elitären Sports.
Dabei geht es gar nicht ausschließlich um die Neuinterpretation klassischer Hobbys, die in den über 550.000 Vereinen (e.V.) in Deutschland institutionalisiert sind (Tendenz steigend, insbesondere im Bereich Freizeitvereine). Häufig sind es die kleinen Wünsche und Verrücktheiten, die vor einiger Zeit noch in der bürgerlichen Privatsphäre verschwanden und unterschiedliche Verhaltensmuster innerhalb und außerhalb der eigenen vier Wände prägten. Heute sinken anerzogene Hemmschwellen und Gleichgesinnte treffen sich zu skurrilen AdHoc-Aktionen, die die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem verschwimmen lassen. Wie sonst, als über die digitalen Kanäle, wäre es möglich Menschen unterschiedlichster Grundgesinnung zum Polkatanzen vor chinesischen Botschaften zu aktivieren oder einen weltweiten „Pillow Fight Day“ (Kissenschlachttag) zu „organisieren“ – eine Aktivität die wohl jeden mit verzückten Augen an die Kindheitstage erinnern lässt.
Denn im Internet findet jeder den Anderen, der seine Interessen teilt und sei es nur in einem kleinen Bereich seiner Identität. Menschen, die sich gegebenenfalls nie treffen würden, bilden Gemeinschaften mit dem Spaß am Jetzt und Hier, um genau das an genau diesem Ort zu genau einem Zeitpunkt gemeinsam zu erleben. Temporär, instabil, häufig spontan aber meistens lebendig und vielschichtig durch die Verschiedenheit der einzelnen Individuen. Während einerseits im vertrauten Internet immer die gleichen friends das gleiche liken, bietet die virtuelle Welt andererseits jedem Einzelnen enorme Möglichkeiten das öffentliche Leben für sich neu zu definieren.
Nochmals zugegeben, Geburtstagspartys wie die eines Mädchens namens Thessa aus Hamburg-Bramfeld sind zwar nicht zwingend wünschenswert, jedoch der Versuch mit einem Wählscheiben-Telefon so viele Menschen spontan für eine gemeinsame Sache zu begeistern scheitert voraussichtlich an der Leistungsfähigkeit menschlicher Extremitäten. In diesem Fall musste Thessa nach ihrer großzügigen „Einladung“ womöglich eine Zeit lang Stubenarrest hinnehmen müssen. Da kann man sich natürlich wiederum fragen: Ist das heutzutage noch eine Strafe?
Lust bekommen auf Neues:
http://www.pillowfightday.com/
Quellen:
http://www.zeit.de/2011/27/Public-Space
http://www.npo-info.de/vereinsstatistik/2008/
Ach übrigens Sie dürfen diesen Blog gerne liken oder auch kommentieren XD
Ihre SOPHISTen