Standen Sie schon einmal vor dem Problem, dass Ihnen jemand eine Aufgabe gegeben hat und Sie irgendwie nicht so richtig wussten, was derjenige denn nun eigentlich genau von Ihnen erwartet?
In der System- und Produktentwicklung stehen wir tagtäglich vor genau diesem Problem. Was soll das Produkt können? Wie soll es aussehen? Wie hängt es mit anderen Produkten/Systemen zusammen? Oder kurz gesagt: Was will denn der Kunde eigentlich?
Um das herauszufinden, stehen uns verschiedene Ermittlungstechniken zur Verfügung. Welche Ermittlungstechnik nun gerade die passende ist, hängt vor allem von der Art des Wissens ab, das ich ermitteln möchte. Hier unterscheiden wir zwischen bewusstem, unterbewusstem und unbewusstem Wissen. Bewusstes Wissen ist dabei Wissen, das wir jederzeit problemlos abrufen können. Daher eignen sich zu dessen Ermittlung besonders Befragungstechniken, wie Interview und Fragebogen. Unterbewusstes Wissen ist hingegen das Wissen, das für uns so selbstverständlich ist, dass wir es nur sehr schwer oder gar nicht abrufen können (mit Worten genau erklären, wie man Fahrrad fährt). Diese Art des Wissens können wir am besten durch Beobachtungstechniken (z.B. Feldbeobachtung) oder dokumentenzentrierte Techniken (z.B. Systemarchäologie) ermitteln. Bei unbewusstem Wissen handelt es sich um Wünsche und Bedürfnisse, die Ihnen gar nicht wirklich bekannt sind. Erst wenn jemand anderes diesen Wunsch äußert oder wenn Sie einem Produkt begegnen, dass genau diesen Wunsch erfüllt, stellen Sie fest: „Warum bin ich da eigentlich nicht selbst darauf gekommen!?“
Eine genauere Erläuterung dieser Wissensarten und den dazu passenden Ermittlungstechniken haben wir Ihnen bereits in dieser Blogserie vorgestellt.
Mit unserer aktuellen Blogserie wollen wir einen Schritt weiter gehen und Ihnen Techniken vorstellen, die Sie generell bei der Ermittlung von Anforderungen unterstützen. Es handelt sich also nicht um weitere Ermittlungstechniken, mit denen ich bestimmte Arten von Wissen ermitteln kann, sondern um Techniken, die mir den Einsatz einer Ermittlungstechnik erleichtern können. Während Sie beispielsweise ein Interview führen, kann Ihnen eine Mindmap dabei helfen, die Informationen, die Sie erhalten strukturiert festzuhalten. Genauso könnte eine Ton-Aufnahme des Interviews eine sinnvolle Unterstützung sein. Neben diesen eher bekannten unterstützenden Techniken (die beide auch Teil des CPRE Foundation Levels sind) werden wir uns in den nächsten Wochen auch mit exotischeren Techniken, wie Card-Sorting oder dem Elevator Pitch, auseinandersetzen.
Etwa alle 14 Tage werden wir Ihnen je eine unterstützende Ermittlungstechnik vorstellen und dabei die Fragen beantworten, warum diese Technik die Anforderungsermittlung unterstützt, was wir unter dieser Technik verstehen, wie sie angewendet wird und wie sie Ihnen in Zukunft bei der Ermittlung von Anforderungen gute Dienste leisten kann.
Unser erster Kandidat wird die Audio- und Videoaufzeichnung sein. Warum diese unterstützende Technik wie kaum eine andere Segen und Fluch in sich vereint, werden wir Ihnen in unserem nächsten Teil zu unterstützenden Techniken bei der Ermittlung von Anforderungen verraten.