Konflikte um Benennungen, Werte, Interessen und Sachkonflikte: Nachdem wir Ihnen im ersten Teil dieses Beitrags die häufigsten Ursachen für im Projekt auftretende Konflikte aufgezeigt haben, stellen wir Ihnen nun beispielshaft einige bewährte Techniken zur Lösung vor.
Zur Lösung von Konflikten gibt es mehrere Ansätze:
* Annäherungsmethoden versuchen durch Kommunikation und Austausch von Meinungen eine Annäherung der Parteien und damit eine gemeinsame Lösung zu finden. Das Entwickeln gemeinsamer Lösungen ist im Allgemeinen sehr zeitintensiv. Daher ist die Verwendung von Annäherungsmethoden nur für Interessens- und Wertekonflikte ökonomisch sinnvoll, da andere Methoden bei diesen beiden Konfliktarten keine Nachhaltigkeit erzeugen.
* Abstimmungs- und Weisungsmethoden führen eine Lösung des Konfliktes durch unterschiedlichste Entscheidungstechniken herbei. Bei Entscheidungen kann aber immer eine Partei verlieren.
* Analytische Methoden lassen sich nur zur Lösung von Komplexitäts-Problemen einsetzen, nicht bei gruppendynamischen Problemen. Sie zerlegen das Problem in überschaubare Teile (Häppchen) oder rationalisieren alle Aspekte, so dass sich auch für emotional aufgeladene Problemstellungen oder komplexe Konfliktsituationen eine Lösung finden lässt. Die Aufspaltung eines komplexen Sachverhalts in überschaubare Teile ist vor allem dann hilfreich, wenn eine mathematisch eindeutige Lösung wichtig ist – die durch analytische Methoden gefällte Entscheidung ist „objektiv“ nachvollziehbar und transparent. Auch kann es bei einer großen Anzahl von Personen oder Meinungen einfacher sein, sich bezüglich einzelner kleinerer Punkte zu einigen als in Bezug auf das gesamte System. Allerdings müssen die analytischen Häppchen für jede einzelne Lösungsalternative bewertet werden, was einen hohen Aufwand bedeuten kann. Die Anwendung einer mathematischen Formel auf die konsolidierten Bewertungen bestimmt dann über den Sieger.
Unter den Annäherungsmethoden ist die wohl beste Lösung die Einigung. Sie wird erzielt, wenn alle Konfliktparteien nach Austausch von Informationen, Argumenten und Meinungen von genau einer der eingangs vorhandenen Lösungen überzeugt sind. Die Beteiligten müssen bereit sein, mehr als nur ihre offenkundige Meinung preiszugeben. Sie müssen ihre Interessen, ja vielleicht sogar ihre Werte nach außen tragen. Von allen ist sehr viel Offenheit gefordert: Wertschätzung des anderen ist eine Grundvoraussetzung, um eine Einigung zu erreichen.
Der Konsens stellt ähnliche Bedingungen an die Konfliktbeteiligten wie die Einigung. Bei dieser Form der Annäherung werden die besten Aspekte aus allen Lösungsalternativen zu einer neuen Lösung vermengt, die von allen Beteiligten befürwortet wird. Ebenso kann ein Konsens auch darin bestehen, dass alle Lösungsalternativen verworfen werden und eine vollkommen neue und kreative Lösung entwickelt wird. Der Preis für einen Konsens ist sehr viel Zeit und Aufwand. Versucht man sich an einem Konsens, kann man sich schon mal fühlen, als sei man bei der UNO.
Hat man nicht genug Zeit oder zu viele beteiligte Parteien für eine Lösung mittels Annäherung oder geht der Konflikt nicht tiefer als in die Sachebene, ist es günstiger, eine Entscheidung durch Abstimmungs- oder Weisungsmethoden herbeizuführen.
Am einfachsten scheint es innerhalb der Gruppe der Abstimmungs- und Weisungsmethoden, den KGV (den Kleinsten Gemeinsamen Vorgesetzten) zu finden und ihn über den Konflikt entscheiden zu lassen. Diese Methode nennt man Ober-sticht-Unter. Dem Vorgesetzten wird eine Entscheidungsvorlage erstellt, in der die verschiedenen Alternativen dargestellt werden. Es besteht auch die Möglichkeiten, dass Befürworter der einzelnen Lösungen Plädoyers halten. Hier sollten Sie aber sehr klare Regeln setzen:
* Jede Konfliktpartei kann genau einen Lösungsentwurf einreichen.
* Jeder schriftliche Entwurf ist auf 10 Seiten beschränkt und muss auch standardisierte Gliederungspunkte umfassen (etwa Kosten der Lösung, Nutzen der Lösung, …)
* Jede Konfliktpartei kann ein mündliches Plädoyer auf der Basis ihres Lösungsentwurfes halten. Jedes Plädoyer darf nur 20 Minuten dauern und kann um weitere 20 Minuten verlängert werden, wenn der KGV Fragen hat.
* Die Reihenfolge der Plädoyers wird ausgelost.
Nach den Plädoyers erteilt der Vorgesetzte eine Weisung, die er auch begründet. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Entscheidung da fällt, wo später die Verantwortung liegt. Je nachdem, wie hoch in der Hierarchie der Vorgesetzte angesiedelt ist, kann die Vorbereitung allerdings arbeitsintensiv oder/und eine Terminfindung sehr schwierig werden. Ober-sticht-Unter ist jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit die einzige Möglichkeit, einen Konflikt zu lösen, der schon so weit fortgeschritten ist, dass die Konfliktparteien mehr mit der gegenseitigen Bekämpfung beschäftigt sind als mit der Lösung des Problems. Sind die Fronten so verhärtet, dass die Konfliktparteien sich alleine nicht mehr einigen können, kann oftmals nur ein von einem Vorgesetzten gesprochenes Machtwort eine Lösung herbeiführen.
Demokratischer geht es bei einer Abstimmung zu. Ähnlich wie im Parlament werden verschiedene Lösungsentwürfe eingebracht, Plädoyers gehalten und dann geheim abgestimmt. Mit dieser Methode kann man relativ leicht auch bei einer großen Anzahl von Beteiligten ein Ergebnis erzielen, das vielleicht nicht von jedem befürwortet, dafür aber aller Wahrscheinlichkeit nach von allen akzeptiert wird.