Methodisch vom Lastenheft zum Pflichtenheft – Teil 1: Wie viel RE benötigen Auftragnehmer?

Als Auftragnehmer möchte ich meinem Kunden selbstverständlich ein Produkt ausliefern von dem er begeistert ist und seinen Vorstellungen im vollen Umfang entspricht. Was muss ich dafür tun? Ganz klar, ich setze einfach die vom Kunden geforderten Features im Produkt um.

Leichter gesagt als getan… Die Entwicklung von Produkten hat heutzutage ein hohes Maß an Komplexität erreicht. Dabei spielt nicht nur die Menge an Anforderungen an ein einzelnes Produkt eine Rolle. Sondern auch die Fähigkeit, diese Anforderungen richtig zu interpretieren und in Zusammenhang zu setzen. Ein methodenunterstütztes RE in der frühen Phase eines Projektes ist Voraussetzung für den späteren Erfolg. Doch wie viel RE benötige ich als Auftragnehmer und wie kann ich es methodisch umsetzen?

Diese beiden Fragen möchten wir in unserer Blog-Reihe „Wie viel RE benötigen Auftragnehmer?“ beantworten. In diesem ersten Teil stellen wir Ihnen vor, auf welcher Basis der Auftragnehmer abschätzen kann, wie viel RE ein bestimmtes Projekt benötigt.

Hierzu stellen wir uns folgende Ausgangslage vor: Das Produktmanagement eines OEMs hat zahlreiche Wünsche an ein neues Produkt. Im Rahmen seiner Produktentwicklung erstellt er auf Basis dieser Wünsche ein Lastenheft für ein Teilprodukt, welches er selbst nicht entwickeln kann. Dieses Lastenheft wird dann an einen Auftragnehmer übergeben und dient diesem als Grundlage für die Entwicklung dieses Teilproduktes. Der Auftragnehmer steht nun vor der Aufgabe, aus dem Lastenheft ein belastbares Pflichtenheft (Supplier Specification) zu erstellen. Dieser Prozess erfordert wiederum Requirements-Engineering. Explizit meinen wir damit die Analyse von Eingabeanforderungen (aus dem Lastenheft) und Ihre Überführung in belastbare Anforderungen im Pflichtenheft. Mehr hierzu erfahren Sie in Teil 2 der Blog-Reihe.

Befassen wir uns zunächst mit der Frage, wie der Auftragnehmer entscheiden kann, wie viel RE in seinem Projekt zur Erzeugung des Pflichtenhefts sinnvoll ist bzw. welche Qualität der Anforderungen er erzeugen sollte.

Basierend auf unserer Erfahrung haben wir die dafür relevanten Faktoren zu vier übergreifenden Kriterien zusammengefasst, die bei Projektbeginn in Betracht gezogen werden sollten, um die Frage nach dem „wie viel“ bzw. „wie gut“ besser abschätzen zu können. Hierzu gehören das Risiko, die Wiederverwendung, der Aufwand und die Art der Zusammenarbeit zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber.

Explizit kann sich der Auftragnehmer die folgenden Fragen stellen:

Wie gefährdet ist mein Projekt, wenn Anforderungen geändert werden müssen? Je weniger Risiko Sie eingehen wollen, umso mehr RE sollten sie investieren.

Welchen Aufwand kann ich investieren bzw. mir leisten? Je weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, umso wichtiger wird es sein, diesen Aufwand an den richtigen Stellen zu investieren.

Kann das Pflichtenheft in Folgeprojekten wiederverwendet werden? Je mehr RE Sie in die Erstellung eines Pflichtenhefts investieren, umso mehr wird ein wiederverwendbares Pflichtenheft generiert, und vom Lastenheft unabhängig sein kann.

Welche Art der Zusammenarbeit liegt dem Projekt zugrunde? Je formaler die Kommunikation zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber ist (einkaufsgetriebene Zusammenarbeit mit geringer Agilität), umso wichtiger wird es sein, gute Anforderungen in Form eines Pflichtenheftes zu haben.

Auf Basis dieser Fragen kann eine erste Einschätzung zur gewünschten oder benötigten Qualität des Pflichtenheftes gegeben werden, wobei wir in Teil 2 auf die unterschiedliche Qualität der Pflichtenhefte eingehen werden und wie diese mit einem methodenunterstützendem RE erreicht werden können.

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