Mind-Mapping – eine merk-würdige Technik zur Anforderungsermittlung

In Teil 1 unserer Blogserie haben wir uns mit Audio-und Videoaufnahmen als Hilfstechnik zur Anforderungsermittlung beschäftigt, welche u.a. häufig bei Interviews eingesetzt werden. Auch unsere heutige Hilfstechnik ist ein guter Partner für das Interview: das Mind-Mapping.

In SOPHIST-Kreisen wird die von Tony Buzan in den 70er Jahren entwickelte Methode Mind-Mapping gerne als unterstützende Technik zur Ermittlung von Anforderungen verwendet. Mit dieser Technik sollen gezielt beide Hälften des menschlichen Gehirns zur systematischen Ermittlung und Erfassung von Ideen und Begriffen angesprochen werden, um Zusammenhänge zu erkennen und Informationen zu verarbeiten.

Mind-Mapping als unterstützende Technik bei der Anforderungsermittlung

Mind-Mapping strukturiert und visualisiert Informationen auf einfache Weise und stellt Zusammenhänge zwischen ihnen dar. Dies machen wir uns in der Anforderungsermittlung zunutze, um gewonnene Informationen übersichtlich zu dokumentieren. Während eines Interviews können z.B. die Aussagen des Interview-Partners anhand einer Mind-Map festgehalten werden. Auch der Interview-Leitfaden, der vor dem Interview erstellt wird, kann die Form einer Mind-Map haben. Buzan selbst empfiehlt die Kombination von Mind-Mapping mit der Kreativitätstechnik Brainstorming.

Im Regelfall verwendet man in einer Mind-Map prägnante Schlüsselwörter und visualisiert mit Bildern, Farben, Pfeilen, Satzzeichen und diverser selbst definierter Zeichen. Visualisieren Sie was das Zeug hält: Arbeiten Sie mit Schatten, Bildern und vielen graphischen Elementen und mit mindestens 3 Farben. Hierdurch entstehen einprägsame graphische Repräsentationen, die zum Einen Zusammenhänge anschaulich darstellen und eine Hierarchisierung und Strukturierung des dargestellten Wissens vornehmen. Zum Anderen werden lückenhafte, bzw. noch nicht zu Ende gebrachte Gedanken leicht erkennbar, da sich dort leicht das Fehlen von Verästelungen (und damit Inhalt) feststellen lässt.

Verwendungsmöglichkeiten

Uns interessiert Mind-Mapping als Hilfstechnik beim Ermitteln von Anforderungen und hier sind die notwendigen Mittel rudimentär.

Die folgenden drei Einsatzbereiche sind dabei typisch für die Verwendung einer Mind-Map:

  • Zur eigenen Dokumentation (z.B. zur Strukturierung der Fragen und Gedanken als Vorbereitung oder Nachbereitung eines Interviews)
  • Zur Dokumentation eines Interviews mit einem Stakeholder
  • Als Mittel zur Dokumentation eines Gruppenmeetings, welches z.B. mit der Ermittlungstechnik Brainstorming arbeitet

In den ersten beiden Fällen reicht ein leeres Blatt Papier im A4 Format und eine kleine Auswahl an farbigen Stiften aus. Im letzten Fall sollten Sie ein Flipchart und farbige Flipchartmarker zur Verfügung haben, damit jedes Gruppenmitglied die Mind-Map während des Prozesses sehen kann.

Ablauf einer Mind-Mapping-Session

In die Mitte des Papiers wird das zu behandelnde Thema geschrieben, oder wenn möglich mit einer kleinen Skizze aufgemalt. Falls eine Skizze nicht möglich ist, so sollte dieses Schlüsselwort stark hervorgehoben werden (z.B. durch Einkreisen). Von diesem Bild bzw. Begriff ausgehend wird für jeden tiefergehenden Gedanken oder jedes hierarchisch nächstliegendes Thema eine Linie bzw. ein Ast gezeichnet, worauf das neue Schlüsselwort ebenfalls gut lesbar oder als Skizze dargestellt wird. Von diesen eingezeichneten Linien können wieder Linien ausgehen, wiederum beschriftet oder mit Skizze versehen, die abermals untergliedert werden können.

Die Verwendung von unterschiedlichen Farben erhöht die Übersichtlichkeit, ebenso wie diverse visuelle Elemente wie Pfeile, Sinnbilder. Einzelne Bereiche können somit abgegrenzt und hervorgehoben werden. Je graphischer das Bild wird, umso einprägsamer wird der Inhalt, nicht zuletzt dadurch, dass er durch die optische Aufbereitung für das Gehirn interessanter wird.

Bei einem Interview mit einem Stakeholder bildet die zentrale Fragestellung des Interviews die Mitte. Die Informationen, die der Stakeholder bei der Befragung liefert, notiert der Interviewer (oder der Protokollant, falls es einen gibt) in Form einer Mind-Map. Da die Dokumentation mit Mind-Maps stichpunktartig ist, minimiert sich der Schreibaufwand und beschleunigt die Dokumentation im Meeting. Der Interviewer überführt die Informationsbestandteile der Mind-Map anschließend in die Spezifikation.

Im Rahmen von Brainstorming-Meetings gibt es zwei Dokumentationsansätze mittels einer Mind Map: mit Moderator und ohne Moderator. In beiden Fällen steht das zentrale Brainstorming-Thema in der Mitte. Existiert ein Moderator, so notiert er die vom Team vorgebrachten Informationen auf dem Flipchart. Dabei muss er sich beim Ideengeber immer rückversichern, wo er die Information antragen soll (um nicht über die Dokumentation zu stark zu dominieren).

Brainstormt das Team ohne Moderator, so steht das gesamte Team um das Flipchart herum und die Stifte liegen für alle Beteiligten zugreifbar bereit. Das Team koordiniert sich dann selbst und jedes Teammitglied darf seine Idee selbst an eine vom ihm gewählte Stelle auf dem Flipchart antragen. Wichtig ist dabei, dass die Einträge nacheinander stattfinden und die Idee immer laut vorgetragen wird, da auf der Mind-Map ja nur Stichworte landen, die dann als Link zur verstandenen Idee dienen.

Gründe für Mind-Mapping im Requirements-Engineering

Mind-Mapping hat folgende Stärken, die Sie im Requirements-Engineering nutzen können [Rupp09]:

  • Es spart Zeit beim Schreiben und Lesen, da lediglich relevante Worte notiert werden
  • Das zentrale Thema steht immer sichtbar in der Mitte und liegt damit immer im Fokus und wird nicht vergessen
  • Es können sehr leicht Beziehungen zwischen Informationen dargestellt werden
  • Das Gehirn tut sich leichter mit Schlüsselwörtern, Grafiken, Farben und Formen zu arbeiten – es ist damit aktiver und kreativer
  • Lücken und schwach definierte Bereiche fallen grafisch sofort auf und regen zur Vervollständigung an

Somit eignen sich Mind-Maps immer dann,

  • wenn die Informationen nicht sehr systematisch anfallen (wie bei der Verwendung von Kreativitätstechniken üblich), grafisch aber in Relation gesetzt werden sollen.
  • wenn es wichtig ist, die angefallenen Informationen den Beteiligten sofort sichtbar zu machen, ohne zu viel Zeit für das Notieren der Informationen zu investieren.

Wir empfehlen jedem Analytiker mit Mind-Maps zu experimentieren und seinen eigenen Weg der Verwendung zu finden. Wie setzen Sie Mind-Maps im Requirements-Engineering ein? Wir freuen uns über Ihre Erfahrungen und schönsten Mind-Maps (heureka@sophist.de).

Audio-und Videoaufnahmen sowie Mind-Maps sind Ihnen sicherlich bereits vor unserer Blogserie begegnet. Doch wie sieht es mit CRC-Karten aus? Diesem Thema werden wir uns im 3. Teil unserer Blogserie zu unterstützenden Techniken zur Anforderungsermittlung widmen.

Literatur:

[Buzan11]         Buzan, T.; Buzan, B.: Das Mind-Map Buch. Die beste Methode zur Steigerung Ihres geistigen Potentials. 7. Auflage. mvg Verlag, München 2011

[Rupp09]         Rupp, C.; die SOPHISTen: Requirements-Engineering und –Management. Professionelle, iterative Anforderungsanalyse für die Praxis. 5. Auflage. Hanser Verlag, München 2009

Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert