Am Anfang war der Stakeholder (Teil 4): Techniken zur Ermittlung unterbewusster Stakeholder

Um unterbewusste Stakeholder zu identifizieren, eignen sich dokumentenzentrierte Techniken am besten. Der Ermittlung der Stakeholder geht hier also zunächst die Ermittlung potenziell relevanter Dokumente voraus. Hierzu gehören Referenzmodelle sowie Projekt- und Unternehmensdokumente zu unterschiedlichen Sichten (v.a. prozessorientierte und strukturorientierte Sichten).

Interessant sind hier alle Dokumente, in denen sich Informationen über Personen[1], Wissensgebiete oder Rollen befinden könnten, die für das betreffende Entwicklungsprojekt möglicherweise relevant sind.

Die identifizierten Dokumente müssen nun systematisch nach relevanten Informationen untersucht werden. Hierbei empfiehlt es sich, jeweils nur eine bestimmte Perspektive einzunehmen, die Dokumente also getrennt zunächst nach potenziellen Rollen, dann nach potenziellen Wissensgebieten und schließlich nach potenziellen Personen zu durchsuchen. Die Reihenfolge der Perspektiven ist dabei frei wählbar, auch können die Perspektiven von verschiedenen Personen eingenommen werden.

Zur Identifikation von Rollen helfen Referenzmodelle, die typische Stakeholderrollen auflisten, so zum Beispiel unsere Stakeholder-Landkarte, das Volere Stakeholder Template[2] oder das Zwiebelschalenmodell von Ian Alexander[3]. In den meisten Unternehmen existieren auch Organigramme, in denen man systematisch in für das Entwicklungsprojekt relevanten Bereichen nach einzubeziehenden Rollen suchen kann (die Namen zu den Rollen werden hier gewöhnlich auch gleich mitgeliefert). Eine weitere nützliche Quelle sind Geschäftsprozessdokumentationen, in denen relevante Rollen benannt sind. Nicht zu vernachlässigen sind Projektdokumentationen aus Vorgänger- oder Nachbarprojekten.

stakeholder_landkarteAbbildung 1 Die Stakeholder-Landkarte der SOPHISTen eignet sich sehr gut als Referenzmodell, um relevante Rollen für Ihr Projekt zu identifizieren.

Wissensgebiete lassen sich ebenfalls über Organigramme und Geschäftsprozessdokumentationen identifizieren. Weiterhin können hier Standardgliederungen hilfreich sein. Konkrete Vertreter sind das Volere-Template der Atlantic Systems Guild[4] oder speziell für nichtfunktionale Anforderungen unsere IVENA-Gliederung oder auch unsere Gliederung zur Dokumentation von Hardware-Anforderungen (DoHa-Gliederung)[5].

Die Suche nach potenziellen Personen, ohne dies bereits für ein bestimmtes Wissensgebiet oder eine bestimmte Rolle zu tun, sollte nur begrenzt erfolgen, da hier die Gefahr besteht, dass man zwar viele Informationen sammelt, aber nur wenig davon am Ende auch relevant ist. Zusätzlich zu dem in Teil 3 dieser Blogserie beschrieben pragmatischen Ansatz, sollten lediglich noch solche Dokumente systematisch nach konkreten Personen durchsucht werden, die in einem direkten Bezug zu dem aktuellen Projekt stehen, also z. B. Organigramme des Projekts oder eines Vorgängerprojekts oder relevanten Nachbarprojekts.

Der nächste und wichtigste Schritt ist nun, die Lücken in der Stakeholdertabelle zu schließen. Zu identifizierten Wissensgebieten benötigen wir jetzt konkrete Personen und deren Rollen. Dasselbe gilt für Rollen ohne Wissensgebiets- und/oder Personenzuordnung, und für Personen, zu denen die Rollen und/oder Wissensgebiete fehlen.

Das hier beschriebene Vorgehen ist nicht streng linear gedacht. Am Anfang des Projektes sollte man einen initialen Stand der Stakeholderliste erstellen. Diese wird während des Projekts laufend aktualisiert, wobei die hier beschriebenen Schritte (auch unabhängig voneinander) wiederholt werden.

Egal, wo sie aktuell in Ihrem Projekt stehen, ergänzen Sie doch mal systematisch Ihre Stakeholderliste. Sie werden staunen, wie viele bisher unentdeckte Stakeholder sich dabei offenbaren!

Am Anfang war der Stakeholder (Teil 1): Die drei Säulen der Stakeholder-Ermittlung

Am Anfang war der Stakeholder (Teil 2): Von bewussten, unbewussten und unterbewussten Stakeholdern

Am Anfang war der Stakeholder (Teil 3): Techniken zur Ermittlung bewusster Stakeholder

 

Quellen:

[1] Hier sind nicht personenbezogene Daten im datenschutzrechtlichen Sinne gemeint, sondern z. B. welche Person in welchem Bereich tätig ist oder welche Rolle/Position besetzt.

[2] http://www.volere.co.uk/templates.htm

[3] http://www.scenarioplus.org.uk/papers/stakeholder_taxonomy/stakeholder_taxonomy.htm

[4] http://www.volere.co.uk/template.htm

[5] Die IVENA-Gliederung und die DoHa-Gliederung senden wir Ihnen gerne zu, bitte fordern Sie diese unter heureka@sophist.de an.

 

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