Reviews – Teil 2: Reviewtechniken

Nicht nur aus den Erkenntnissen der Qualitätsmessung Ihrer Anforderungen sollte eine Konsolidierung Ihrer Anforderungen und Dokumente erfolgen, sondern auch während des gesamten RE-Prozesses mit dem Ziel, Fehler zu identifizieren, zu beheben und bei allen Projektbeteiligten ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Prüftechniken unterscheiden sich in ihrem Umfang, dem benötigten Aufwand und dem Augenmerk, auf das die Prüfung gerichtet ist. Welche Technik die geeignete für Ihr Projekt ist erfahren Sie in diesem Artikel.

1. Stellungnahme

Diese Technik ist wenig formal, kann zeitnah und unkompliziert durchgeführt werden.

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Prüfgegenstand aushändigen: Der Anforderungsautor gibt den Prüfgegenstand, d.h. eine Auswahl an Anforderungen aus dem RM-Tool oder das zu prüfende Dokument an einen Reviewer zum lesen. Das kann z.B. ein fachlich versierter Kollege oder auch ein fachfremder, analytisch Begabter sein. Kommunizieren Sie auch die Review Ziele!

Anmerkungen einfügen: Der Reviewer markiert die Auffälligkeiten und fügt Anmerkungen als kurze Kommentare in das Dokument ein. Qualitätskriterien helfen dem Prüfer, den Prüffokus einzuhalten.

Änderungen einpflegen: Anschließend pflegt der Anforderungsautor die daraus resultierenden Änderungen in die Anforderungen ein.

Führen Sie Stellungnahmen für Ihre Anforderungen durch, wenn Sie mit wenig Aufwand sinnvolle Prüfungen durchführen wollen. Beachten Sie jedoch, dass das Prüfergebnis sehr von den Prüfern und deren Qualitätsbewusstsein abhängig ist.

2. Walkthrough

Mit einem Walkthrough kann man vor allem gezielt erreichen, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen entwickeln.

Führen durch den Prüfgegenstand: Der Anforderungsautor leitet die Prüfer schrittweise, z.B. anhand einer Präsentation, einer Story-Map oder einer Prozessbeschreibung, durch den Prüfgegenstand. Dabei erläutert er auch den Entstehungsprozess bzw. seine Gedankengänge, die zu den vorgestellten Anforderungen geführt haben. Diese Erläuterungen haben oft den positiven Nebeneffekt, dass der Anforderungsautor selbst viele Auffälligkeiten entdeckt.

Identifikation von Problemen: Die Prüfer stellen zusätzlich Fragen und versuchen so, mögliche Probleme zu identifizieren.

Anpassungen vornehmen: Offene Punkte können dann entweder gemeinsam abgestimmt und eingearbeitet werden oder bei umfangreicheren Anpassungen protokolliert und anschließend in die Anforderungen eingearbeitet werden.

Walkthroughs unterstützen die Entscheidungsfindung, das Auflösen von kleineren Konflikten und den Austausch von Informationen im persönlichen Gespräch, wodurch Verständnisprobleme sofort gelöst werden können.
Tipp: Führen Sie besser mehrere kleinere Walkthroughs durch, als einen großen.

3. Inspektion

Das ist eine der formaleren Prüftechniken, die sich gut eignet, um viele Auffälligkeiten in Prüfgegenständen zu identifizieren.

iStock_000008674494XSmallInspektion planen: Falls die festgesetzten Vorbedingungen für den Start der Prüfung vorliegen, startet der Inspektionsleiter die Inspektion. Er legt die Ziele der Inspektion fest, ermittelt die Anzahl der Inspektionszyklen, stellt eine Inspektorengruppe und Checklisten zusammen.

Vorbesprechung durchführen: Der Autor erläutert den Inspektoren die zu überprüfenden Anforderungen, damit ein gemeinsames Verständnis innerhalt des Inspektionsteams entsteht. Die Teilnehmer erhalten die Anforderungen und Checklisten.

Individuelle Fehlersuche: Die Inspektoren prüfen die Anforderungen mit Hilfe der Checklisten nach möglichen Fehlern und dokumentieren diese geeignet. Ziel ist es, in einer vorgegebenen Zeit möglichst viele Auffälligkeiten in den Anforderungen zu finden. Weisen Sie den Prüfern spezielle Aufgaben zu: So achtet z.B. jemand mit Testhintergrund eher auf Testbarkeit, ein On-Site-Customer hingegen eher auf inhaltliche Korrektheit.

Reviewsitzung durchführen: Die Inspektoren melden Ihre gefundenen Auffälligkeiten, welche konsolidiert und protokolliert werden. Hier werden auch Vorschläge zur Verbesserung des Inspektionsprozesses oder der Checklisten aufgenommen.

Nachbereitung, Bewertung und Abschluss durchführen: Die Anforderungen werden anhand der gefundenen Auffälligkeiten vom Autor überarbeitet. Der Inspektionsleiter kontrolliert diese Stichpunktartig. Gegebenenfalls erfolgt eine Anpassung des Inspektionsprozesses oder der Checklisten. Anschließend wird geprüft, ob das Ende-Kriterium der Inspektion erfüllt ist und der Inspektionsleiter wertet die Inspektion aus.

Mit Inspektionen findet man meist viele und tief sitzende Auffälligkeiten in Anforderungen und durch die fest vorgegebenen Regeln verläuft der Prüfprozess meist reibungslos, sie sind aber auch zeitaufwändig und dadurch eher kostenintensiv.

4. Reverse Presentation

Diese leichtgewichtige Prüfmethode eignet sich hervorragend um das Verständnis des Lesers bzw. das gemeinsame Verständnis von Anforderungen zu prüfen und wird eingesetzt, wenn aufwändige Reviewprozesse zu keinen Ergebnissen führen.

iStock_000006748171SmallAnforderungen überliefern: Der Spezifikateur überliefert einzelne Anforderungen oder eine gesamte Spezifikation mündlich oder dokumentiert an den Spezifikationsempfänger.

Reverse Presentation: Der Spezifikationempfänger (z.B. die Entwicklungsmannschaft) stellt dem Spezifikateur die Inhalte mit eigenen Worten oder Diagrammen vor. Im agilen Umfeld lässt sich z.B. der PO vom Tester die Testfälle erklären. So können implizite Annahmen und Unklarheiten direkt festgestellt werden. Missverständliche Anforderungen werden aufgedeckt, da hierbei ein Delta zwischen überlieferter Anforderung und wiedergegebener Anforderung entsteht.

Diese Methode eignet sich nicht besonders, um formale Fehler zu finden, aber der Spezifikationsempfänger weiß nun eher was der Kunde/Spezifikateur erwartet, weil er den Inhalt mit eigenen Worten formulieren musste. Reverse Presentation ist auch mit der Methode Critical Design vergleichbar, bei der eine große Beauftragung erst nach der Vorstellung einer Designarchitektur vergeben wird.

Vorsicht! Wenig motivierte Prüfer neigen dazu, nachzuplappern. Ohne zeitliche Vorgabe oder Darstellungsvorgaben wird vom Spezifikationsempfänger/-prüfer oft nur ein flaches Abstrakt der Anforderungen und wenig Detailwissen zurückgespiegelt.

Im nächsten Teil der Blogserie erwartet Sie eine Tabelle zur Auswahl der geeigneten  Prüftechnik und eine Vorstellung von sieben unterstützenden Techniken, die Ihnen dabei helfen, noch gezielter die Qualität ihrer Anforderungen und Dokumente zu erhöhen.

Reviews – Teil 1 – Wieso? Weshalb? Warum?
Reviews – Teil 3: Unterstützende Techniken

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