„Braucht man das oder kann das weg?“ – Was der Bindestrich im „Requirements-Engineering“ macht

Druckfrisch ist es erhältlich: Unser beliebtes Standard-Werk „Requirements-Engineering und -Management“ ist in die 6. Auflage gegangen.

Cover RE-Buch 6. Auflage

Nun mögen sich manche von Ihnen fragen, warum wir „Requirements-Engineering“ und „Requirements-Management“ mit Bindestrichen schreiben, obwohl man doch meistens diese Begriffe ohne Bindestrich sieht. Vielleicht haben Sie sich diese Frage sogar schon 2009 bei Erscheinen der 5. Auflage gestellt ;o)

Die kurze Antwort vorweg: Wir schreiben „Requirements-Engineering“ mit Bindestrich, weil es richtig ist.

Und hier die etwas längere Erklärung:

Eine wichtige Instanz in der Anerkennung von Sprachveränderungen ist nach wie vor der Duden. Dieser befasst sich nicht nur mit der richtigen Schreibung altbekannter Wörter, sondern z. B. auch mit der Frage, welche neuen Wörter künftig Teil des deutschen Wortschatzes sein dürfen – beispielsweise gilt „canceln“ seit einigen Jahren als im Deutschen richtiges Wort. Darüber hinaus befasst sich die Duden-Redaktion auch mit dem Umgang mit Begriffen, die aus anderen Sprachen entlehnt wurden und sonstigen Stolpersteinen des deutschen Wortschatzes und der deutschen Grammatik.

Ein Phänomen, das sich seit Jahren immer stärker beobachten lässt, ist das simple Aneinanderreihen von Substantiven. Zunehmend werden Hauptwörter einfach hintereinander geschrieben, obwohl sie nur ein zusammengesetztes Hauptwort sein müssten („Knusper Müsli“ statt „Knuspermüsli“ oder „Benefiz Konzert“ statt „Benefizkonzert“ ) oder die Begriffe zumindest mit einem Bindestrich verbunden werden sollten. Gerade im IT-Umfeld, das traditionell viele Begriffe aus dem Englischen übernimmt, wird allzu oft auch die im Englischen übliche, aber im Deutschen falsche Schreibweise ohne Bindestrich übernommen.

Dabei hat der Duden Rechtschreibregeln aufgestellt, die solche Fälle klar regeln. So sagt beispielsweise Regel #22:

Man kann einen Bindestrich in unübersichtlichen Zusammensetzungen setzen <§ 45 (2)>.

  • Mehrzweck-Küchenmaschine
  • Lotto-Annahmestelle
  • Umsatzsteuer-Tabelle

Dies gilt auch für fremdsprachliche Fügungen aus zwei Substantiven <§ 45 E1>.

  • Desktop-Publishing
  • Shopping-Center

Moment, da steht ein „kann“. Und „man kann“ heißt ja nicht, dass man muss! Richtig – die Alternative ist aber mitnichten das Weglassen des Bindestrichs. Gemäß Duden-Rechtschreibregel #41 gilt:

1. Zusammengesetzte Fremdwörter werden zusammengeschrieben <§ 37 (1)>. Besteht die Zusammensetzung aus Substantiven, kann zur besseren Lesbarkeit ein Bindestrich gesetzt werden <§ 45 E1>.

  • Desktoppublishing (auch: Desktop-Publishing)
  • Airconditioning (auch: Air-Conditioning)
  • Sciencefiction (auch: Science-Fiction)
  • Midlifecrisis (auch: Midlife-Crisis)

Als SOPHISTen sind wir uns natürlich der immensen Bedeutung präziser und korrekter Verwendung der Sprache bewusst. Da zumindest die meisten von uns jedoch auch einen gewissen Hang zur Ästhetik haben, kamen für uns folgende Schreibweisen nicht in Frage: Requirementsengineering und Requirementsmanagement,  Productbacklog oder Usecase. Deswegen gilt in unserem frisch erschienenen Buch die Schreibweise mit Bindestrich.

Ein wenig anders gestaltet sich der Fall, wenn die Zusammensetzung nicht aus zwei Substantiven besteht, sondern aus einem Adjektiv und einem Substantiv. Hier hilft uns der Duden mit dem zweiten Teil der Regel #41:

Ist der erste Bestandteil ein Adjektiv, kann zusammengeschrieben werden, wenn die gemeinsame Hauptbetonung auf dem ersten Bestandteil liegt. Andernfalls gilt in Anlehnung an die Herkunftssprache nur Getrenntschreibung <§ 37 E4>.

  • Lọngdrink oder Lọng Drink
  • Họtspot oder Họt Spot

Deswegen tragen zum Beispiel die „Technical Storys“ keinen Bindestrich – die „User-Story“ hingegen ist aus zwei Substantiven zusammengesetzt, alternativ zum Bindestrich wäre nur „Userstory“ richtig; aber geben Sie zu, das sieht falsch aus.

Eine Ausnahme bilden Zitate. Dort, wo wir im neuen Buch englischsprachige Kollegen oder Definitionen zitieren, fügen wir natürlich keine Bindestriche ein.

Einen angenehmen Nebeneffekt hat die Bindestrich-Schreibung bei Substantiven noch: Der Titel unseres Buches wird präziser. Bei einer Schreibung ohne Bindestriche wäre nicht klar, ob „Requirements Engineering und Management“ sich mit Management befasst oder mit Requirements-Management. Die korrekten Bindestriche vermeiden hier eine Mehrdeutigkeit und damit ein potenzielles Missverständnis.

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