Die etwas andere Stadtführung „Schicht-Wechsel“

Unser monatlichen Abendevent im November war eine Stadtführung der anderen Art. Es handelte sich hier um eine Stadtführung des Straßenkreuzers, an der Plätze in der Stadt angelaufen werden, die Treffpunkte für sozial schwache Mitmenschen sind. Hier erfährt man so manches, wie arme und obdachlose Menschen versuchen, ein geregeltes Leben führen zu können.

Der „Straßenkreuzer“ ist ein Sozialmagazin und wurde vom Straßenkreuzer e. V. ins Leben gerufen. Seit 1994 können arme und obdachlose Menschen das Magazin verkaufen und somit den Versuch wagen, den Wiedereinstieg in das soziale Leben und eine berufliche Perspektive, zu finden.

Unsere erste Station war das Arbeitsprojekt von Lilith e.V. Die Organisation hilft in erster Linie drogenabhängigen Frauen und deren Kindern.

Liliths Second Hand Laden ist ein caritatives Fachgeschäft für Damenmode, das seit mittlerweile 3 Jahren besteht. Dort wird ehemals oder noch drogenabhängigen Frauen die Möglichkeit gegeben zu arbeiten und sich zu qualifizieren. Die Qualifizierungen sollen den betroffenen Frauen helfen wieder in ein normales Arbeitsverhältnis vermittelt zu werden.

Zurzeit beschäftigt der Modeladen acht Frauen und elf ehrenamtliche Mitarbeiterinnen. Das Konzept des Ladens beruht auf Kleiderspenden. Diese werden dort aufgearbeitet, präsentiert und weiter verkauft.
Das Problem der dort beschäftigten „Patienten“ ist, die Motivation und das Durchhaltevermögen aufrecht zu erhalten. Hierzu steht den betroffenen Frauen sozialpädagogische Unterstützung zur Seite.

Es gibt bereits Erfolge zu verbuchen, von elf Frauen wurden fünf weitervermittelt und fünf haben weiterführende Maßnahmen in Anspruch genommen.

Wünsche für das Jahr 2013 gibt es natürlich auch, gerne möchten sie in dem Arbeitsprojekt zwei feste Arbeitsstellen anbieten und dass der Modeladen gewinnbringend wird. Der erwirtschaftete Gewinn fließt sofort wieder in das Arbeitsprojekt mit ein.

Das SleepIN war unsere zweite Anlaufstelle. In dieser Einrichtung können Obdachlose bis 23 Jahre für 7 Tage im Monat unterkommen. Dort gilt absolutes Alkohol- und Drogenverbot. Die Unterkunft ist bei obdachlosen Punkern sehr beliebt, denn Hunde sind ausdrücklich erlaubt. Eine Voraussetzung ist, dass die Bewohner selber tätig werden müssen. Zum Beispiel werden sie dort nicht bekocht, sondern müssen ihr Essen selbst zubereiten. Als die Frage aufkommt, ob dort auch Spenden ausgegeben werden, erhalten wir von unserem Stadtführer eine Antwort mit einem großen „Ja, ABER“.

Aus eigener Erfahrung sagt er, dass Spenden eine tolle Sache seien, solange diese nicht verschwenderisch verteilt würden. Er hat ein Beispiel aus einer Wärmestube gebracht: dort gibt es Menschen, die sich jeden Tag neue Socken oder ähnliches holen und diese einfach nicht mehr wertschätzen. Würden diese Kleidungsstücke einen Euro kosten würde dies anders laufen. Dabei erzählt er stolz von seiner Tasche, die er sich von seinem hart erarbeiteten Geld gegönnt hat.

Wir ziehen weiter zum Skulpturenpark. Früher ein Treffpunkt für Obdachlose, Homosexuelle und Drogenabhängige. Im Jahr 2000 wurde der Park umgebaut und ist seitdem nachts nicht mehr zugänglich. Die Folgen waren zu spüren, die Anzahl der Drogentoten in Nürnberg stieg, da der Drogenkonsum nicht mehr in der Öffentlichkeit ausgeübt wurde und niemand mitbekam wenn sich jemand eine Überdosis gab. Die Obdachlosen haben sich am Bahnhof angesiedelt und die Homosexuellen sind in andere Parks gewandert.

Etwas unter Zeitdruck stehend wanderten wir zu unserer letzten Station, zum Kunstprojekt von Winfried Baumann – Wohn-Design für „Stadt-Nomaden“. Er stellt kleine, an einer Hauswand befestigte Behausungen her, die nach dem Vorbild der Unterkünfte chinesischer Wanderarbeiter konzipiert sind. Wenn dieses Bauprojekt fertig und vom Bauamt geprüft worden ist möchte er dort Obdachlose wohnen lassen.

Von unserem Hunger getrieben verschlägt es uns nun ins K4. Bei leckeren Essen und einem Gläschen Bier erzählt unser Stadtführer von seinen Erlebnissen als ehemaliger Obdachloser und Tätigkeiten als Mitarbeiter des „Straßenkreuzer“.

Die etwas andere Stadtführung war sehr interessant aber auch bedrückend. Rasch konnte man sich in die Perspektive eines obdachlosen Menschen hineinversetzten. Es wird einem bewusst wie schnell es gehen kann alles zu verlieren und wie schwer es ist wieder ein normales Leben zu führen.

Einen herzlichen Dank an unseren Stadtführer vom Straßenkreuzer der uns einen sehr guten Einblick in den „Schichten-Wechsel“ Nürnbergs gegeben hat.

Wir wünschen für die Zukunft alles Gute.

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